Wie viel fair steckt in „Fairtrade“?
Ein neues Siegel soll Unternehmen den teilweisen Einstieg in den fairen Handel ermöglichen und Produzenten mehr Absatzmöglichkeiten eröffnen. Doch es sorgt für Verwirrungen.
Von Mango-Fruchtgummis in Affenform über Sahne-Kakao-Mandeln bis hin zum klassischen Doppelkeks mit Schokoladenfüllung – das Sortiment fair gehandelter Produkte wird immer breiter. Längst werden sie nicht mehr nur in Fachgeschäften, sondern auch in vielen Supermärkten angeboten. Damit der Verbraucher diese Artikel als „fair“ erkennt, sind sie meist mit bestimmten Siegeln versehen – doch keines davon unterliegt gesetzlichen Standards. Wie viel „fair“ steckt also tatsächlich in diesen Produkten?
Mit fair gehandelter Ware - bei Fruchtsäften und Tee sowie bei Produkten, die Kakao oder Zucker enthalten - verhält es sich teilweise wie mit Ökostrom. Wer sich dafür entscheidet, hat zwar die Garantie, dass eine gleiche Menge Strom ökologisch erzeugt wird. Was aber aus der Steckdose kommt, ist dann ein Energiemix: Schließlich speisen auch konventionelle Kraftwerke ins Stromnetz ein. Trennen lässt sich das nicht.
Mit Artikeln, die das „Fairtrade“-Siegel tragen, unterstützt man eine Idee. Die Idee eines nachhaltigen Welthandels, um den Anteil an fair gehandelten Rohstoffen insgesamt zu erhöhen und dadurch die Lebensbedingungen für Produzenten und Kleinbauern zu verbessern. Der Kunde kann aber nicht davon ausgehen, dass der Kakao oder der Zucker in einem „Fairtrade“-Produkt, auf dem das unscheinbare Wort „Mengenausgleich“ zu lesen ist, auch wirklich komplett fair gehandelt ist. Vielmehr kann der Kakao in der Verarbeitung mit konventionellem Kakao vermischt werden. Eine strikte Trennung während der gesamten Lieferkette wäre zu aufwendig und zu kostspielig. Am Ende müssen lediglich die vom Hersteller eingekaufte und die verwendete Menge fair gehandelter Rohstoffe oder Produkte übereinstimmen.
Bislang nur 0,2 Prozent des Kakaos als Fairtrade
Für noch mehr Verwirrung dürfte ein Programm-Siegel sorgen, das der Verein TransFair nun zusätzlich zu seinem klassischen „Fairtrade“-Siegel vergibt. Es bezieht sich nicht mehr nur auf die Endprodukte, sondern vor allem auf den Rohstoffeinkauf eines Unternehmens. Hintergrund ist, dass in der Vergangenheit in Deutschland nur 0,2 Prozent des Kakaos zu „Fairtrade“-Bedingungen abgesetzt werden konnten. Mit dem „Kakao-Programm“ – später soll es auch für Zucker und Baumwolle eingeführt werden – haben Unternehmen die Möglichkeit, entweder ihren kompletten Bedarf oder aber auch nur einen Teil davon mit Kakao aus dem fairen Handel zu decken.
Diesen Kakao-Mix können sie sowohl in einzelnen Produktlinien als auch in der Gesamtproduktion verarbeiten. Dafür dürfen die Unternehmen dann das Programm-Siegel auf ihrer Website oder in ihrem Geschäftsbericht abbilden – und wenn der Rohstoff in einem Produkt zu 100 Prozent unter „Fairtrade“-Bedingungen eingekauft wurde, sogar auf dem Artikel selbst. Problematisch: Der Rohstoff muss im Produkt keinen Mindestanteil ausmachen. Ebenso wenig sind die Unternehmen dazu verpflichtet, den Bauern eine Mindestmenge abzunehmen.
Der Absatz soll 2014 von 1200 Tonnen auf 6000 Tonnen steigen
Wie der TransFair-Geschäftsführer Dieter Overath erklärt, achte seine Organisation stets darauf, dass es sich um „relevante“ Mengen handle. TransFair würde den Unternehmen bewusst keinen festen Prozentsatz vorschreiben, um das Programm in Gang zu bringen. Stellvertreterin Claudia Brück fügt hinzu: „Die letzte Instanz sind wir. Wenn ein Produkt nur zwei Prozent Schokostreusel enthält, sagen wir, dass wir keine Kennzeichnung wollen.“ Das neue Konzept scheint aufzugehen, denn einige Kooperationspartner stehen bereits fest: Mars, die Rewe-Gruppe, Lidl, Kaufland und die Confiserie Riegelein. Allein dadurch soll der Kakao-Absatz 2014 im Vergleich zu 2013 von 1200 Tonnen auf 6000 Tonnen steigen.
Weltläden und Fairhandelsorganisationen sehen das Programm trotzdem kritisch. Ute Michallik, Geschäftsführerin der Weltladen GmbH in Augsburg, ist hin- und hergerissen: „Wir begrüßen jede Möglichkeit für die Bauern, mehr zu verkaufen, aber es besteht die Gefahr, dass das System verwässert wird.“ Anna-Maria Ritgen, Pressereferentin bei El Puente, sagt: „Die Siegel werden immer mehr und wir bekommen sehr viele Rückfragen dazu.“ Ihrer Meinung nach liegt das Problem aber in erster Linie woanders: „Das Wort ‚fair‘ ist nicht geschützt. Im Grunde kann es jeder auf sein Produkt schreiben.“
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