ADHS-Medikament für Kinder hilft auch Erwachsenen
Viele Ärzte stellen bei Kindern ADHS fest und verschreiben ihnen das Medikament Ritalin. Auch im Erwachsenenhalter könnte dies die Symptome der Krankheit lindern.
Es ist die Volkskrankheit im Kindesalter: Die Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (Kurz: ADHS) ist die häufigste psychische Störung im Kinder- und Jugendalter. Manche sprechen von einer Modekrankheit, die im Volksmund auch "Zappelphilipp-Syndrom" genannt wird. Expertenschätzungen zufolge sind mittlerweile allein in Deutschland mehrere hunderttausend Menschen betroffen.
ADHS äußert sich durch motorische Unruhe, Impulsivität sowie leichte Ablenkbarkeit. ADHS gilt als Kinderkrankheit, dabei bleiben die Symptome bei 40 bis 60 Prozent der Betroffenen im Erwachsenenalter bestehen. Kinder werden oft mit dem Wirkstoff Methylphenidat behandelt, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin. Forscher haben nun herausgefunden, dass die Behandlungsmethoden auch bei Erwachsenen sinnvoll sind.
Keine Studien zu ADHS im Erwachsenenalter
"Bislang gab es für das Erwachsenenalter keine größeren kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit von Pharmakotherapie und Psychotherapie vergleichen", sagte der Sprecher des Forschungsverbunds ADHD-net, Andreas Warnke vom Universitätsklinikum Würzburg beim Psychotherapiekongress 2012 in Hannover. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler deutet alles darauf hin, dass die im Kinder- und Jugendalter etablierten Behandlungsmethoden auch bei Erwachsenen sinnvoll sind.
In sieben Studienzentren wurden 433 Erwachsene mit ADHS in vier Gruppen aufgeteilt und unterschiedlich behandelt. Ein Viertel der Betroffenen erhielt eine Gruppentherapie sowie Ritalin, eine weitere Gruppe Beratung und Ritalin. Die dritte Gruppe bekam Gruppentherapie und ein Schein-Medikament beziehungsweise Beratung und ein Placebo.
Die medikamentöse Behandlung sei der Therapie mit Placebo insgesamt signifikant überlegen, erklärte Warnke. Die Auswertung der Daten sei aber noch nicht abgeschlossen.
Viele Mediziner verordnen lebhaften Kindern Ritalin und stellen die Diagnose ADHS. Die Behandlung mit den ADHS-Medikamenten wie zum Beispiel Ritalin kann jedoch zu Gesundheitschäden führen. Schlaf- und Wachstumsstörungen seien häufig die Folge. Außerdem steige das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen. Dazu kommt, dass mutmaßliche ADHS-Kinder anders behandelt werden von Eltern und Lehrern. Das kann zu psychischen Problemen führen, so die Wissenschaftler.
Ist Ritalin Fluch oder Segen?
Der Augsburger Kinder- und Jugendarzt Martin Lang sagt: „Es gibt Kinder, denen muss man das Medikament geben, damit man ihnen das Leben nicht verbaut. Man muss ihnen helfen, im Schulsystem zu überleben.“ Lang holt weit aus, um zu erklären, warum es für die allermeisten Buben schon aus entwicklungsbiologischer Sicht schwierig ist, fünf Stunden am Stück zu sitzen und sich zu konzentrieren. „Das ist für die meisten die Höchststrafe.“ Deren Großväter und Urgroßväter hätten nur überlebt, weil sie stark und schnell genug waren, um in ihrer Zeit zu bestehen. Im modernen Bildungssystem aber sei für dieses genetische Erbe kein Platz mehr.
Die meisten Buben sind laut Lang nicht krank. Sie lebten sich nur aus und das Herumtoben gehöre einfach zu ihnen. „Wenn man die in den Sportverein schickt oder sie Schlagzeug spielen lässt, ist meist alles in Ordnung“, sagt der Mediziner. Seinen persönlichen Erfahrungen nach kommt es relativ selten vor, dass Eltern für ihre im Grunde gesunden Kinder Ritalin wollen, in der Hoffnung, die Noten würden dadurch besser. Lang, der viel mit homöopathischen Therapien arbeitet, lehnt so etwas ab.
Dennoch ist Ritalin der Renner unter den Psychopharmaka. Weltweit rund zehn Millionen Kinder sollen die Pillen mit dem Wirkstoff Methylphenidat schlucken, schätzen Experten. dpa, AZ
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