Tropenmedizin: Den tödlichen Viren auf der Spur
Ob Dengue- oder Hanta-Viren: Am Bernhard-Nocht-Institut wird zu tödlichen Erregern aus der ganzen Welt geforscht.
Die Forscher im Bernhard-Nocht-Institut (BNI) für Tropenmedizin in Hamburg untersuchen täglich bis zu 100 Blut-, Urin- oder Stuhlproben von Patienten, die sich womöglich auf einer Reise mit Viren oder anderen Erregern angesteckt haben. Für die meisten der untersuchten Viren und anderen Krankheitserreger gibt es keine käuflichen Testsysteme, bei denen die Proben einfach in ein Gerät gestellt würden.
Virusdiagnostik am BNI
Zwar gibt es teure Apparate, mit denen sich etwa das Erbgut von Erregern vervielfältigen lässt. Aber: "Die meistens Tests sind aufwendig, und unsere Mitarbeiter machen viel von Hand," erläutert Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am BNI.
Forscher vom BNI waren beispielsweise entscheidend an der Diagnostik der Coronaviren beteiligt, die im Jahr 2003 vor allem in Asien die lebensgefährliche Lungenerkrankung Sars auslösten.
Oder an der Untersuchung des Usutu-Erregers, der in den vergangenen zwei Jahren ein massenhaftes Amsel-Sterben in Deutschland ausgelöst hat.
Gefährliche Hantaviren
Derzeit kommt viel Post von Ärzten an, die bei ihren Patienten eine Ansteckung mit Hantaviren vermuten. "Es gibt verschiedene Typen, die durch die Exkremente von Mäusen übertragen werden. Die Viren können zum Beispiel über Staub am Boden eingeatmet werden, der mit Nagetierkot verunreinigt ist", sagt Schmidt-Chanasit.
Zuletzt hatten die Viren Schlagzeilen gemacht, weil eine Variante einigen Besuchern des Yosemite-Nationalparks in Kalifornien das Leben gekostet hatte. "Bei diesen Hantaviren handelt es sich um das Sin-Nombre-Virus - "das Virus ohne Namen" - das bei uns zum Glück nicht vorkommt. Überträger sind vor allem Hirschmäuse", so der Virologe.
Puumala-Virus: Der Hantavirus in Deutschland
Doch Hantaviren gibt es auch in Deutschland, etwa das Puumala-Virus, Überträger sind Rötelmäuse. In diesem Jahr wurden so viele Puumala-Virus-Infektionen registriert wie noch in keinem Jahr zuvor, unter anderem in Baden-Württemberg. Typische Symptome ähneln einer Grippe mit Muskel- und Gliederschmerzen und Fieber, bei einem Großteil der Betroffenen verläuft die Infektion jedoch unbemerkt.
Im Nachbarlabor spült Schmidt-Chanasit mit einem feinen Schlauch eine Wanne mit zehn Streifen aus. "Das sind Teststreifen für Hantaviren, wir können damit Antikörper nachweisen." Auf ihnen befinden sich Bestandteile der Viren (Antigene). Sie werden mit verdünntem Patientenserum beträufelt und mehrfach mit Wasser gespült. Der Virologe stellt die Wanne danach auf ein Gerät, das aussieht wie eine Küchenwaage. Darauf wird die Wanne bis zum nächsten Waschgang sanft hin und her geschaukelt. Nach einigen Stunden ist das Ergebnis da: Ähnlich wie bei einem positiven Schwangerschaftstest tauchen farbige Banden auf, wenn der Patient Antikörper im Blut hat.
Test auf Dengue-Antikörper
Ein Labor weiter untersucht der medizinisch-technische Assistent Marcus Gräber-Gerberding Patientenblut auf Dengue-Antikörper. Die vier unterschiedlichen Dengue-Virustypen werden durch den Stich von Aedes-Mücken übertragen und breiten sich weltweit aus. Die Weltgesundheitsorganisation geht von 100 Millionen Neuinfektionen pro Jahr aus. Symptome sind hohes Fieber mit Kopf- und Gliederschmerzen.
Einen käuflichen Antikörper-Test für Dengue gibt es nicht. Daher arbeitet Gräber-Gerberding mit typischen Objektträgern - kleinen Plättchen, die so ähnlich auch im Biologie-Unterricht verwendet werden. Auf diesen sind zwölf kleine Vertiefungen zu sehen, auf die der er mit Dengueviren infizierte Zellen aufgetropft hat.
"Die Dengueviren stammen aus unserem Bestand, wir haben sie selbst im Labor vermehrt." Nun gibt er das verdünnte Serum von Patienten auf den Objektträger. "Wenn sich Antikörper im Blut des Patienten befinden, dann leuchten die Zellen unter einem Fluoreszenzmikroskop grünlich", erklärt Gräber-Gerberding. Indirekter Immunfluoreszenz-Test nennt sich dieses Verfahren.
Bernhard-Nocht-Institut: Schutzkleidung schützt vor Ansteckung
Haben Schmidt-Chanasit und Kollegen keine Angst vor Ansteckung? Schmidt-Chanasit verneint. Außerhalb der Sicherheitslabors tragen die BNI-Mitarbeiter weiße Schutzkittel über der Kleidung und lila Handschuhe, die extra reißfest sind. "Kommen wirklich brenzlige Proben, etwa von Patienten mit Verdacht auf Ebola- oder Marburg-Viren, dann werden sie auf dem Notruf-Telefon angekündigt und in silbernen Koffern sofort in ein Sicherheitslabor gebracht", erklärt Schmidt-Chanasit. Diese Viren lösen sogenannte hämorrhagische Fieber aus, sind lebensgefährlich und hochansteckend.
Im S3-Sicherheitslabor ein Stockwerk höher werden die Proben eine Stunde lang mit Hitze behandelt und möglicherweise vorhandene Krankheitserreger so "inaktiviert". "Dadurch können wir die Viren oder Antikörper immer noch nachweisen, aber es kann sich niemand mehr anstecken."
Krankenstation für Aids und Malaria
Ursprünglich entstand das heutige Gebäude des BNI vor rund 100 Jahren. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es zerstört und danach wieder aufgebaut. Bis 2006 beherbergte das Haus auch Krankenstationen, in denen Patienten mit HIV/Aids, Malaria und anderen tropischen Erkrankungen behandelt wurden. Im BNI gibt es heute noch eine Ambulanz, in der sich Reisende beispielsweise in Sachen Impfungen beraten lassen. dpa
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