Die Fuggerei öffnet das Fenster zur Zukunft
2021 wird die Fuggerei 500 Jahre alt. Der angespannte Wohnungsmarkt und andere gesellschaftliche Entwicklungen stellen sie vor Herausforderungen.
Noch fünf Jahre bis zum Jubiläum: 2021 wird die Fuggerei 500. Viele Regeln, die Gründer Jakob Fugger einst aufstellte, gelten bis heute: Wer aufgenommen werden möchte, muss katholisch sein und Augsburger, auch muss er täglich drei Gebete für den Stifter sprechen. Die Jahresmiete, einst ein Rheinischer Gulden, wurde nie erhöht: Umgerechnet beträgt sie 88 Cent.
Dennoch hat sich das Leben in der Sozialsiedlung verändert. Während früher vor allem ältere Menschen dort lebten, bewerben sich heute viele Jüngere um eine der 142 Wohnungen. „Viele Rentner haben fürs Alter finanziell vorgesorgt“, sagt Stiftungsadministrator Wolf-Dietrich Graf von Hundt. Stattdessen fehlt das Geld nun bei Alleinerziehenden, die vom ehemaligen Partner keinen Unterhalt bekommen, bei Langzeitarbeitslosen oder bei Familien, in denen beide Elternteile von Hartz IV leben.
Große Nachfrage
Seit Jahren könnte die Fuggerei mehr Wohnungen vermieten, als sie hat. Graf von Hundt geht davon aus, dass sich die Situation noch verschärfen wird: Durch die allgemeine Wohnungsnot und steigende Mieten finden viele Bedürftige in Augsburg schon heute keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Die Stadt wird weiter wachsen – auch wegen der Flüchtlinge, die zumindest zum Teil hier bleiben werden. Gleichzeitig entstehen zu wenig neue Wohnungen im unteren bis mittleren Preissegment. Eine Folge könnte sein, dass künftig mehr Familien in die Fuggerei einziehen, obwohl die Wohnungen für sie eigentlich nicht groß genug sind. „Was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, sind uns durch unsere Statuten aber nun einmal Grenzen gesetzt“, sagt Graf von Hundt.
Das Jubiläum im Blick, will sich die Stiftung nun auf die neue Situation einstellen. Denn das 500-Jährige soll nicht nur ein Anlass zum Feiern sein, sondern der Sozialsiedlung auch für eine Neuausrichtung dienen. „Früher hat es gereicht, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten“, sagt der Stiftungsadministrator. Heute müssen viele Bewohner darüber hinaus betreut werden. Die Stiftung unterstützt sie bei Behördengängen oder dann, wenn Anträge gestellt werden müssen. Und: Sie bewahrt die Menschen vor der Vereinsamung, indem sie gemeinsame Ausflüge und andere Freizeitaktivitäten anbietet. Denn auch dies haben die Fuggerei-Verantwortlichen festgestellt: „Viele Bedürftige neigen dazu, sich zurückzuziehen und vernachlässigen soziale Kontakte.“ Oft geschehe dies aus Scham.
Nachfrage nach Gemeinschaft
Die Fuggerei-Bewohner scheinen die Neuausrichtung zu begrüßen: „Eine Besucherumfrage hat ergeben, dass viele gerne gemeinsame Spiele- und Fernsehabende hätten oder einmal miteinander kochen wollen“, sagt Astrid Gabler (44), die seit Januar in der Stiftungsadministration arbeitet und unter anderem für die Vorbereitung des Jubiläums, aber auch für Öffentlichkeitsarbeit und das Angebot in der Fuggerei verantwortlich ist.
Auch eine zweite Sozialpädagogin wurde zuletzt eingestellt. „Die Stiftung hat erkannt, dass man neuen Herausforderungen nur mit mehr Personal begegnen kann“, sagt Graf von Hundt. Deshalb wird man in Zukunft auch stärker auf ehrenamtliche Unterstützung setzen. „Im besten Fall wird die Fuggerei ein Treffpunkt für das ganze Viertel, in dem Nachbarschaftshilfe großgeschrieben wird.“
Den Spagat, einerseits Wohnsiedlung, andererseits Touristenmagnet zu sein, wird die Fuggerei auch in Zukunft leisten müssen – und sie will es auch. Denn durch die rund 150000 Besucher im Jahr fließt Geld in die Stiftung, das dringend gebraucht wird: Die Fuggereihäuschen sind zwar nicht mehr im Original erhalten; ein Großteil der Siedlung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Dennoch ist der Sanierungsaufwand hoch. Vergangenes Jahr wurde das Heizungssystem erneuert, derzeit wird das Senioratsgebäude samt Gastronomie saniert. „Wir sind jetzt so weit, dass wir alle Gebäude auf dem aktuellen Stand haben“, sagt Graf von Hundt.
Holzpreis hilft
Positiv wirkte sich dabei der gute Holzpreis aus – denn die Stiftung bezieht ihr Kapital auch aus dem Verkauf von Holz aus den Fugger’schen Wäldern. Dennoch: Fenster und Dächer sind in der Sozialsiedlung immer ein Thema, und auch die Kirche wird in nächster Zeit saniert werden müssen.
Auch für ihre Besucher will die Fuggerei künftig Neues anbieten. Gedacht ist an diverse Vorträge zur Geschichte der Stadt und der Sozialsiedlung selbst. Bis zum Jubiläum in fünf Jahren soll außerdem ein Konzept erarbeitet werden, wie Besuchern künftig Vergangenheit und Gegenwart nahegebracht werden kann.
Geschichte der Fuggerei
1521 gründet Jakob Fugger die Fuggerei als Reihenhaussiedlung für bedürftige Augsburger. Auf dem 15000 Quadratmeter großen Gelände in der Jakobervorstadt gibt es 67 Reihenhäuser mit je zwei Wohnungen, ein Verwaltungsgebäude, die St. Markus-Kirche, das Senioratsgebäude mit Gastronomie sowie zwei Museen. Derzeit leben rund 150 Menschen in der Fuggerei – vom Kind bis zum Senior. Die Bewohner zahlen eine Jahreskaltmiete von 88 Cent, sie müssen katholisch sein, aus Augsburg kommen und täglich drei Gebete für den Stifter sprechen. Die Wohnungen sind rund 60 Quadratmeter groß und haben zwei Zimmer, Küche und Bad. Zu den Erdgeschosswohnungen gehört ein kleiner Garten. Die Mieter richten die Wohnungen selbst ein.
Besucher sind in der Fuggerei willkommen, müssen aber Eintritt zahlen. Für Erwachsene liegt er bei 4 Euro, es gibt aber auch eine Jahreskarte zum Preis von 10 Euro für Auswärtige und 5 Euro für Augsburger. Die Eintrittsgelder werden in die Fuggerei reinvestiert.
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