Im Ausnahmezustand
Interview Augsburgs Schauspieldirektor Markus Trabusch und sein Ensemble waren beim Festival im Dauereinsatz. Alle sind langsam erschöpft, aber auch mehr als zufrieden
Herr Trabusch, leiden Sie schon an „Mangelerscheinungen“ nach zwei Wochen Theatertagen?
Markus Trabusch: Ich verspüre ein intensives Bedürfnis nach mehr Schlaf. Und meine Wohnung befindet sich in einem Zustand, in dem ich keine Gäste mehr empfangen kann.
Was hat das Festival dem Theater Augsburg denn gebracht?
Trabusch: Inklusive der Eröffnung der Brechtbühne und allen damit verbundenen Aktivitäten sowie mit dem Festival war das Theater nun einen ganzen Monat lang zentraler Magnet und Diskussionsstoff in der Stadt – und für die Stadt. Das zeigt die Bedeutung der Institution auf und stärkt sie auch nach innen, weil alle Mitarbeiter sich in ungewohnter Form als Teil dieses Ausnahmezustands wahrnehmen konnten.
Das Haus ist damit also stärker in den Fokus der Bürger gerückt?
Trabusch: Tatsächlich haben wir in den letzten Wochen einen ungewöhnlich engen Kontakt mit dem Publikum gehabt. Vor, zwischen und nach den Vorstellungen habe ich viele Gespräche mit Zuschauern geführt, auch mit einigen, die bislang eher seltener zu uns kamen. Viele wollen nun häufiger kommen. Also ist dieser Effekt tatsächlich zu beobachten.
Die Augsburger Schauspieler waren als Paten für die Gäste im Einsatz. Wie kam das an?
Trabusch: Nahezu täglich bekomme ich Mails von den Theatern, die bereits wieder zu Hause angekommen sind und sich nochmals bedanken für die Gastfreundschaft. Und das Ensemble hatte sich genau das vorgenommen: Als aktive Gastgeber für Flair bei diesem Festival zu sorgen, um tatsächlich einen Austausch aller Theater untereinander in Gang zu setzen. Das scheint gelungen. Aber natürlich nur, weil auch alle technischen Abteilungen einen ungemein reibungsfreien Ablauf ermöglicht haben. Wir alle sind nun zum Ende hin beglückt und natürlich ein wenig erschöpft.
Die Sparte Schauspiel steht ja sehr im Mittelpunkt der Theatertage...
Trabusch: Das war schon immer so in den letzten 30 Jahren. Und es liegt wohl auch daran, dass zahlenmäßig die Schauspiel-Institutionen die anderen Sparten bei Weitem überwiegen. Außerdem sind beispielsweise Musiktheater-Gastspiele wesentlich teurer aufgrund des viel größeren Apparates (Orchester, Chor...).
Welche Inszenierung hat Sie denn am meisten beeindruckt?
Trabusch: Bislang was das die Woyzeck-Inszenierung aus Nürnberg – und natürlich Hiob von den Münchner Kammerspielen.
Neue Möglichkeiten für das Jugendtheater
Und welche Anregungen nehmen Sie als Schauspieldirektor mit?
Trabusch: Grundsätzlich versuche ich, jeden Theaterbesuch als Anregung zu begreifen, auch außerhalb der Theatertage. Im Festival habe ich besonders erlebt, welche neuen Möglichkeiten im Bereich des Jugendtheaters unsere neue Bühne bietet.
Apropos neue Bühne – wie kam die Brechtbühne denn an?
Trabusch: Auch da habe ich nur Gutes gehört und viel Lob bekommen. Offenbar haben wir mit der Brechtbühne in Augsburg eine Spielstätte geschaffen, in der sehr viele verschiedene Theaterformen sehr gut funktionieren können. Ein wirklicher Meilenstein für den Standort Augsburg.
Sind die Theatertage auch Jobbörse?
Trabusch: Natürlich sieht man in kurzer Zeit ungewöhnlich viele Schauspieler – und ich habe mir auch vorgenommen, den einen oder die andere weiter zu verfolgen, um mir ein umfassenderes Bild machen zu können. Das geht anderen Schauspielleitern bestimmt genauso. Aber allzu große Angst, dass unser Ensemble anderswohin tendiert, habe ich im Augenblick nicht. Die Aufbruchstimmung nach den zwei Jahren ohne Obdach ist da und macht unser Haus attraktiv.
27 Jahre waren die Theatertage nicht in Augsburg. Wird das nun anders?
Trabusch: Unbedingt. Ab jetzt spielt Augsburg wieder mit – auch im normalen Zyklus der Theatertage. Warum sollten wir in Zukunft nicht das schaffen, was Memmingen, Coburg oder Ingolstadt auch leisten können… Die 30. Bayerischen Theatertage in Augsburg animieren jedenfalls dazu – bis hin zum Wetter. Interview: Nicole Prestle
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