Ahmad Mansour spricht auf SPD-Klausur über Radikalisierung
Die SPD-Landtagsabgeordneten erfahren bei der Klausur in Irsee, wie muslimische Jugendliche in Deutschland radikalisiert werden. An etwas anderem haben die Politiker aber zu knabbern
Mit ihrem Referenten hat die bayerische SPD sozusagen eine ausgezeichnete Wahl getroffen: Noch als Ahmad Mansour am späten Montagnachmittag bei der Winterklausur der Landtagsfraktion in Irsee (Ostallgäu) sprach, wurde bekannt, dass der israelisch-palästinensische Psychologe und Autor den mit 10.000 Euro dotierten Carl-von-Ossietzky-Preis erhält. Damit würdigte die Jury Mansours Einsatz für Demokratie, Toleranz und Integration. Im ehemaligen Benediktinerkloster redete er über die „Generation Allah“ und warum im Kampf gegen religiösen Extremismus umgedacht werden muss.
Für viele der 42 SPD-Abgeordneten war Mansours Vortrag eine Begegnung mit der Wirklichkeit, wie sie Politiker in der Regel selbst nicht erleben. Zwei Worte benutzte der Referent immer wieder: „Deutsche Zustände.“ Es sei schlichtweg falsch, zu glauben, dass sich der religiöse Extremismus erst mit den hohen Flüchtlingszahlen Bahn breche. Wichtiger, als über den Islamischen Staat (IS) oder über Al-Kaida-Terror zu sprechen, sei es, sich den Alltag muslimischer Jugendlicher in Deutschland genau anzusehen. Fehlende Vaterfiguren, eine kritische Lebensphase, Probleme in der Schule und Diskriminierungserfahrungen: Das sind für Mansour Bestandteile eines belastenden Pakets.
Wenn es zu groß wird, dann ist die Gefahr durchaus real, dass Jugendliche empfänglich für islamistische Ideologien werden, sagte er. Die Salafisten hätten am besten erkannt, wann sich dieses Zeitfenster öffne. „Sie sind die effizientesten Sozialarbeiter, weil sie die jungen Menschen mit ihren Problemen abholen.“ Vor allem im Internet werden mit einfachen Botschaften und martialischen Bildern Heilsversprechen gegeben, die freilich niemals eingelöst werden. Den Schulen schreibt Mansour im Kampf gegen die Radikalisierung eine zentrale Rolle zu. „Aber die Lehrer müssen erst einmal dazu befähigt werden, eine dringend notwendige Wertevermittlung auch zu leisten.“
SPD kommt in Bayern gerade mal auf 16 Prozent
Wie stark die SPD diese Forderungen in ihre Überlegungen einfließen lässt, wird sich zeigen. Die Genossen im Freistaat müssen noch mit etwas ganz anderem umgehen: Einer aktuellen Umfrage zufolge kommen sie in Bayern auf gerade mal 16 Prozent. SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher („Das war ein Schlag ins Kontor“) aber will sich damit nicht zu lange aufhalten, wenngleich hinter den dicken Mauern des Klosters gestern kräftig analysiert wurde. Personaldiskussionen gibt es dem Vernehmen nach nicht. Die vielleicht notwendige Selbstbespiegelung empfindet der Fraktionschef angesichts der „ernsthaften Lage im Land“ als unangemessenes Klein-Klein.
„Ob wir 16 oder 18 Prozent haben, wer der Nachfolger von Seehofer wird, das alles ist völlig irrelevant für die Bevölkerung.“ Die Menschen in Bayern seien durch die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen und durch Terrordrohungen tief verunsichert. „Das ist mit Händen zu greifen.“ Eine in der Verfassung verankerte Leitkultur, wie sie die CSU vorantreibt, hält der Fraktionsvorsitzende für überflüssige Symbolpolitik, da eine „Treuepflicht“ in Bayerns Verfassung bereits enthalten sei.
Wie aufgeheizt die Situation tatsächlich ist, lässt sich auch an Ahmad Mansour festmachen. Seit drei Monaten bekommt er bei öffentlichen Veranstaltungen Personenschutz. Außerdem musste er nach konkreten Drohungen umziehen.
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