Mutproben, Drogen, Suizid: Warum Menschen zu Falschfahrern werden
Bei einem Geisterfahrer-Unfall im Sauerland sind am Sonntag fünf Menschen gestorben. Warum der Mann zum Falschfahrer wurde, ist wie so oft unklar. Die Statistik hilft kaum weiter.
Zuletzt häuften sich die Fälle: Anfang Oktober rast in Oberfranken eine 31-Jährige, die offenbar psychische Probleme hatte, mit ihren zwei Kindern im Auto in den Gegenverkehr. Die Frau, ihre zwei Töchter sowie der Fahrer des entgegenkommenden Autos sterben. Die Ursache: unklar.
Knapp zwei Wochen später der nächste Fall: Auf der A1 in Rheinland-Pfalz fährt eine Frau mit ihrem Wagen frontal in ein entgegenkommendes Auto. Drei Menschen sterben: ein 31 Jahre alter Vater und zwei seiner Kinder. Die Unfallverursacherin überlebt schwer verletzt. Die Ursache: unklar.
Am Sonntag schließlich der dritte Unfall innerhalb nur eines Monats: Ein 24-Jähriger nimmt im Sauerland bei seiner Falschfahrt vier Menschen mit in den Tod. Die Polizei geht derzeit von einem Suizid aus. Eine abschließende Klärung steht aber noch aus.
2012 bislang 204 Geisterfahrten in Bayern
Die Frage, die viele umtreibt - nämlich warum ein Mensch zum Falschfahrer wurde - bleibt oft unbeantwortet. Entweder, weil der Fahrer bei dem Unfall selbst ums Leben kommt. Oder aber, weil nach einer Falschfahrermeldung der Schuldige nicht ausfindig gemacht werden kann. Das bayerische Innenministerium führt zwar eine Falschfahrerstatistik, für 2012 werden dort bis Ende September 204 Fälle angeführt. Die Ursachen für die Geisterfahrten werden dort aber nicht erfasst. Und das, obwohl in 40 Fällen der Falschfahrer sogar gestellt werden konnte.
Immerhin: Es gibt Anhaltspunkte. Etwa, dass rund 50 Prozent der Falschfahrten bei Dunkelheit stattfinden - für Andreas Hölzel vom ADAC ein mögliches Indiz dafür, dass meist doch Orierungsprobleme in Folge von unübersichtlicher Beschilderung oder schlechter Sicht, die häufigste Ursache ist. Eindeutig klären lasse sich das aber nicht. "Das Spektrum reicht von Mutproben über Suzidabsichten, Alkohol und Drogen bis hin zum Orientierungsverlust", sagt Hölzel.
Innenministerium setzt auf Beschilderung
An einem anderen Punkt hingegen lässt die Statistik relativ klare Schlüsse zu: 2011 waren laut Innenministerium 33 von 83 gestellten Falschfahrern älter als 70 Jahre. Die Zahl stützt ein landläufige Annahme. Immer wieder wurde in der Vergangenheit daher die Forderung laut, ältere Verkehrsteilnehmer stärker zu kontrollieren. Das Innenministerium widerspricht diesem Ansinnen jedoch und verweist darauf, dass älteren Fahrer in der Unfallstatistik wegen ihrer eher defensiven Fahrweise eine insgesamt unterrepräsentierte Rolle spielen.
Stattdessen setzt das Innenministerium auf eine klare Beschilderung, verbesserte Fahrbahnmarkierungen und die einheitliche Gestaltung der Anschlussstellen. Seit Dezember 2010 beteiligt sich Bayern mit drei Autobahnabschnitten an einem Modellprojekt von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Auf der A3 (Bundesgrenze bei Passau bis Autobahndreieck Deggendorf), der A8 (Bundesgrenze bei Bad Reichenhall bis zur Anschlussstelle Übersee) und der A94 (Mühldorf bis Burghausen) warnen grellgelbe Schilder davor, in die falsche Richtung zu fahren.
Außerdem sind größere Schilder an den Auffahrten angebracht worden. Auch die Richtungspfeile auf den Straßenbelägen sollen – versehen mit einer Spezialfarbe – besser ins Auge stechen. Wissenschaftlich begleitet wird der Versuch vom Bundesanstalt für Straßenwesen. AZ
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