Vom Geldsack zur Handtasche
Das Bayerische Nationalmuseum zeigt in einer Schau 500 Jahre Kulturgeschichte des wichtigsten Accessoires der Frau. Und bringt kuriose Geschichten ans Tageslicht.
Um es gleich vorwegzunehmen: Eins der größten Rätsel der Menschheitsgeschichte, die Frage nämlich, was Frauen in ihrer Handtasche den ganzen Tag mit sich herumtragen, wird nicht gelöst. Sehr wohl aber ist die Frage beantwortet, woher die Damenhandtasche überhaupt kommt. Und warum Männer das für Frauen so wichtige Accessoire einfach nicht brauchen. Einen hübschen, sehenswerten Streifzug durch das wunderbare Thema Taschen hat das Bayerische Nationalmuseum in München in einer neuen Sonderausstellung zusammengestellt. Es ist ein Streifzug durch 500 Jahre europäische Kulturgeschichte, die im 16. Jahrhundert beginnt und bis in die Gegenwart reicht.
Im 16. Jahrhundert waren die Beutel vor allem fürs Geld
Unter dem Begriff Tasche versteht man erst einmal nur ein Behältnis aus den unterschiedlichsten Materialien, in dem persönliche Gegenstände aufbewahrt werden. So war das im 16. Jahrhundert – und so ist es heute noch. Damals gab es keinen Unterschied: Männer wie Frauen sammelten vor allem Geld, Amulette oder Reliquien in Ledertaschen und Lederbeuteln. Die Taschen der Männer waren direkt am Gürtel befestigt, Bürgersfrauen ließen ihre Geldtaschen an langen Riemen außen am Rock baumeln. Denn ein gut gefüllter Geldsack war gleichzeitig auch Statussymbol.
Im 17. Jahrhundert kamen Jagdtaschen in Mode: große, trapezförmige Beutel mit Metallbügeln. Seine Jagdutensilien hat der Mann darin aufbewahrt und manchmal auch die Brotzeit. Gleichzeitig entstanden Brieftaschen, in denen man Papiere und Geld eng am Körper tragen konnte. Frauen dagegen hatten kleine Säckchen, in denen das Taschentuch und ein Riechfläschchen Platz fanden. Größere Beutel waren den Handarbeitsutensilien, dem Strick- oder Stickzeug, vorbehalten.
Bis zur Französischen Revolution trugen auch Männer Handtasche
„Die verschiedenen Taschenformen tauchen immer wieder auf – quer durch alle Jahrhunderte und immer angepasst an die jeweilige Funktion“, sagt der Münchner Kostüm-Forscher Johannes Pietsch, der die Ausstellung zusammengestellt hat. Interessanterweise trugen die Männer bis zur Französischen Revolution genauso häufig wie Frauen Handtaschen. „Das hat sich erst im 19. Jahrhundert geändert“, sagt Historiker Pietsch: „Statt prächtiger Gewänder kleideten sich die Männer nun in langweilige Straßenanzüge – und zogen sich aus der Mode zurück.“ Während es kaum eine Frau ohne Handtasche gibt, hat sich der Mann daran gewöhnt, alles, was er braucht, in die Hosen- oder Jackentasche zu stecken. Auch wenn die Tasche vor allem ein Gebrauchsgegenstand ist: Sie ist auch ein Statement. Denn sie verrät den persönlichen Geschmack des Besitzers.
Um 1800 entstand das „Ridicule“, ein lächerlich kleiner Beutel, der an einer Kette am Handgelenk baumelte. Er wurde größer und größer, die Frauen haben schnell herausgefunden, wie praktisch es doch ist, die persönlichen Dinge immer bei sich zu tragen. Das war die Geburtsstunde der Handtasche.
Das 19. Jahrhundert war die Zeit der Pompadours, der Perlentaschen und der gestrickten Arbeitsbeutel – aufwendig und wertvoll verziert. Aktenmappen kamen in Mode und flache Geldbörsen mit Metallbügelverschlüssen. Die meisten aber verstauten ihre Münzen in Geldstrümpfen: In gestrickten Schläuchen, die meist aus zwei Säckchen mit einem Schlitz bestanden, der durch Ringe verschlossen wurde.
Als die Eisenbahn kam, brauchte man plötzlich Reisetaschen
Mit der Verbreitung der Eisenbahn kamen die Reisetaschen auf. „Die Frauen gewöhnten sich daran, die Taschen am Henkel in der Hand zu tragen“, sagt Pietsch. Und sie tun es heute noch. Die Modelle der Gegenwart sind aus Plastik oder edlem Leder, aus Schlangen- oder Krokodilhaut, sie sind frech und bunt, jugendlich, flippig oder ganz klassisch – so wie sie schon Grace Kelly oder Marlene Dietrich getragen haben.
Was diese Damen in ihrer Handtasche versteckten? Keine Ahnung. Soziologen jedenfalls haben gerade herausgefunden, dass ein Chaos in der Handtasche nicht gleichzeitig ein Chaos im Kopf bedeutet. Das ist doch irgendwie beruhigend.
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