Warum wildernde Haustiere abgeschossen werden dürfen
In Nordrhein-Westfalen ist der Abschuss streunender Katzen seit Ende Mai untersagt, in Hessen wie in Bayern ist er legal - bleibt aber höchst umstritten.
In der Auseinandersetzung um ein zeitgemäßes Jagdrecht kämpfen Befürworter wie Gegner der Jagd mit harten Bandagen. Kaum ein Aspekt löst so starke Emotionen aus wie Schüsse auf Hunde und Katzen, und das nicht etwa nur bei denen, die einen Knall des Schusses gehört haben und später ihr geliebtes Haustier tot liegen sehen. Auch in Unterfranken spielen sich jedes Jahr Dramen um erschossene Haustiere ab, das zeigt ein Blick ins Archiv der Redaktion.
Eine bundesweite Meldepflicht gibt es nicht, in einzelnen Bundesländern wird eine Statistik geführt. In Nordrhein-Westfalen, wo nach Angaben der Landesregierung im vergangenen Jagdjahr 7344 Katzen und 51 Hunde erschossen wurden, verbietet das neue Ökologisches Jagdgesetz (ÖJG) seit Ende Mai den Abschuss von Katzen.
In Hessen ist der Abschuss von wildernden Haustieren wie in Bayern völlig legal, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, die Katze also gerade auf Beutefang ist und das mindestens 300 Meter von einem bewohnten Haus entfernt. Von wildernden Tieren gehe eine Gefahr für die Artenvielfalt aus, argumentieren Jägerverbände und denken vor allem an Vögel sowie ans Niederwild, an Hase und Rebhuhn.
Jäger am Pranger
„Jäger erschießen 118 Katzen in der Region“ meldete dieser Tage die „Fuldaer Zeitung“, die Zahl bezieht sich auf die Kreise Fulda, Main-Kinzig und Vogelsberg. Die schwarz-grüne Landesregierung will nun die Tötung wildernder Hund und Katzen wissenschaftlich überprüfen lassen. So ist es im Vertrag der Regierungskoalition vereinbart.
Tierschutzorganisationen stellen regelmäßig „schießwütige Jäger“ und „Lusttöter“ an den Pranger. Sie würden „grundlos Haustiere abknallen“, bis zu 100 000 Katzen jedes Jahr. Ein Jäger und Jagdfunktionär aus dem Landkreis Würzburg hält die Zahlen und die Diskussion für „völlig überzogen“. Er sagt: „Es ist doch inzwischen unter den Jägern verpönt, Hunde und Katzen zu schießen“.
Warum dann nicht gleich die Jagd auf Haustiere verbieten? Muss man denn alles verbieten, lautet die Entgegnung. Der Paragraf 42 im Bayerischen Jagdgesetz, der das Töten wildernder Haustiere unter gewissen Voraussetzungen erlaubt, habe „einen Disziplinierungseffekt für Unbelehrbare“, sagt der Jäger, der anonym bleiben will. Dabei denkt er an Hunde- und Katzenhalter, die sich nicht darum scheren, dass ihr Tier ständig streunt.
Abschuss von Haustieren muss nicht gemeldet werden
Der Abschuss von Haustieren muss im Freistaat nicht gemeldet werden. Der Tierschutzbund Bayern beklagt „himmelschreiendes Unrecht“ und fordert ein generelles Verbot. Der Bayerische Jagdverband (BJV) sieht die Dinge von seiner Warte. „Katzen und Hunde sind oft geliebte Familienmitglieder“, heißt es beim BJV, „dennoch dürfen wir Jäger nicht einfach wegsehen, wenn streunende Katzen die wiesenbrütenden Arten immer stärker bedrängen“. Der Schuss auf ein Haustier bleibe immer nur das „letzte Mittel“.
Die Diskussion könnte noch an Schärfe gewinnen. Die Tierschützer sehen die wachsende Unterstützung seitens der Politik und wähnen sich auf der Erfolgsspur. Bei Jägern herrsche ein großes Unbehagen über die zunehmende Zersplitterung des Jagdrechts, sagt der Jagdfunktionär. Wo es auf Länderebene Koalitionen mit den Grünen gäbe, werde das Jagdrecht früher oder später verschärft. „Die CDU opfert sich nicht mehr für die Jäger“, so der Mann.
Die FDP wirft sich in die Bresche, auch in der Main-Region treten „Die Liberalen“ als Verteidiger der traditionellen Jagd auf. Drei Kreisverbände luden Anfang Oktober zur Podiumsdiskussion nach Wertheim (Main-Tauber-Kreis) ein. Das Jagdrecht, wie es sich seit 70 Jahren bewährt habe, stehe vor dem Aus, hieß es in der Einladung. Die Jagd werde einem naturfernen, urbanen Zeitgeist geopfert.
Steht denn die CSU in Treue fest zur Tradition der Jagd? „Die tut's noch“, kommt die Antwort des Jagdfunktionäres wie aus der Pistole geschossen, wobei das Wörtchen „noch“ das Ausmaß der Verunsicherung zeigt. Viel hänge von der Haltung des Bauernverbandes (BBV) ab, der den Jägern oft nicht „grün“ ist, weil die, so der Vorwurf, zu wenig Wild schössen. Wenn der BBV mit dem Finger schnippe, sagt der Jäger, stehe die CSU Gewehr bei Fuß.
Vielen Tierschützern geht es nicht allein um ein Verbot von Schüssen auf Hund und Katze. Längst ist die Jagd als solche ins Visier geraten. Als ein älterer Jäger dieser Tage bei Hettstadt (Lkr. Würzburg) nicht das anvisierte Wildschwein, sondern den Fuß eines Kollegen traf, meldete sich die Tierrechtsorganisation PETA zu Wort. Bei der Jagd bestehe Gefahr für jedes Lebewesen, das sich in der Nähe aufhält – ob Mensch oder Tier, heißt es da. Die „Hobbyjagd“ sei eine Störung des Rechtsfriedens sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
Die FDP aus den Landkreisen Würzburg, Main-Spessart und Main-Tauber hält dagegen und empört sich: Die „zunehmende“ Beschränkung der Jagd- und die Ausweitung der Schonzeiten seien verfassungswidrige Eingriffe in die Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Grundgesetz.
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