Könnte auch in Deutschland WhatsApp gesperrt werden?
Schon dreimal wurde in Brasilien WhatsApp blockiert. Wäre das auch hierzulande denkbar?
Stellen Sie sich einmal vor, Sie können plötzlich keine Texte und Bilder mehr über WhatsApp verschicken. Von einer auf die andere Sekunde funktioniert der beliebte Internetdienst nicht mehr, weil die Justiz ihn blockieren lässt. In Brasilien, wo ungefähr 100 Millionen Menschen WhatsApp nutzen, ist das schon dreimal passiert.
Im Dezember und im Mai konnten die Nutzer dort jeweils einen ganzen Tag lang nicht auf die Anwendung zugreifen. Im jüngsten Fall, am Dienstag, dauerte die Blockade etwa fünf Stunden. Eine Richterin in Rio de Janeiro hatte die Maßnahme angeordnet. Begründung: Das US-Unternehmen habe sich geweigert, Chatprotokolle in einem Kriminalfall herauszugeben.
Wie Norbert Pohlmann, Leiter des Instituts für Internet-Sicherheit in Gelsenkirchen sagt, können die Ermittler nicht auf die Inhalte der Kommunikation bei WhatsApp zugreifen. Sie könnten aber an die sogenannten Metadaten herankommen. Diese geben Informationen darüber, wer mit wem kommuniziert hat und welche Datenmengen ausgetauscht wurden. Den Dienst komplett lahmzulegen, sei technisch gesehen kein Problem, sagt Pohlmann. Die Telekommunikationsanbieter müssten dafür lediglich den Verbindungsaufbau von den Handys der Nutzer zu den Servern von WhatsApp sperren. Die brasilianische Richterin hatte den Anbietern des Landes eine Geldstrafe angedroht, wenn sie der Aufforderung zur Blockade nicht nachkommen.
Ungefähr jeder zweite Deutsche benutzt WhatsApp
Dass es in Deutschland einmal zu einer landesweiten Sperre von WhatsApp kommen könnte, kann sich IT-Experte Pohlmann nicht vorstellen. Er hält es zwar für möglich, dass die Anbieter auf richterlichen Beschluss Metadaten einzelner Chats herausgeben würden. Eine komplette Blockade hält er aber für unwahrscheinlich: „Die Konsequenzen daraus würde ich nicht verantworten wollen.“ Schätzungen zufolge nutzt ungefähr jeder zweite Deutsche WhatsApp, das wären 40 Millionen Menschen. Wenn ohne Vorwarnung plötzlich kein Nachrichtenaustausch mehr über den Dienst möglich wäre, könnten Verabredungen platzen und Unsicherheiten entstehen – der Aufschrei wäre groß, glaubt Pohlmann.
In Brasilien hat nun der Oberste Gerichtshof ein Machtwort gesprochen und die Blockade gestoppt. Gerichtspräsident Ricardo Lewandowski gab einem Eilantrag der Sozialistischen Partei statt. Sein Urteil: die Sperre sei unangemessen und schränke das verfassungsmäßige Grundrecht auf Meinungsäußerung und Kommunikation ein. mit dpa
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