Stiftung Warentest: Zwei Drittel aller Vitamintabletten sind zu hoch dosiert
Wenn es draußen kühler wird, greifen viele Menschen zu Vitaminpräparaten. Stiftung Warentest hat nun 35 unter die Lupe genommen. Die meisten überschreiten empfohlene Höchstwerte.
Jetzt, wo der Herbst vor der Tür steht, beginnt bei vielen die Erkältungszeit: triefende Nasen, tränende Augen, Reizhusten. Um sich davor zu schützen, greifen viele Menschen zu Vitaminpräparaten. Etwa 30 Prozent der Deutschen nehmen Vitamintabletten, -kapseln und andere Nahrungsergänzungsmittel zu sich, ergab 2016 eine Umfrage der Verbraucherzentralen. Stiftung Warentest hat nun 35 Vitaminpräparate genauer unter die Lupe genommen - und festgestellt, dass ein Großteil der Mittel zu hoch dosiert ist.
Von 35 getesteten Mitteln überschreiten 26 die empfohlenen Höchstmengen
"Ohne Zweifel war die Erfindung der Vitamintablette ein Segen für die Menschheit", schreibt Stiftung Warentest im Testbericht. "In bestimmten Lebenssituationen und bei verschiedenen Krankheiten sind die Mittel hilfreich oder gar medizinisch geboten." Aber: Wie so oft im Leben gilt auch bei Vitaminpräparaten ein gewisses Maß. Zu viel des Guten kann Nebenwirkungen haben oder sogar krank machen.
Und viele der frei verkauften Vitaminpräparate, die in Apotheken, Drogerien, Reformhäusern, Supermärkten und beim Online-Versandhaus Amazon erhältlich sind, sind höher dosiert als das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt. Stiftung Warentest hat 35 Mittel getestet, von denen 26 die sicheren Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel je Tagesdosis überschreiten.
Vitamin A: Wichtig für Schleimhäute, Immunsystem und fürs Sehen
Vitamin A ist in Fleisch- und Wurstwaren enthalten, vor allem in Leber. Aber auch in Milchprodukten und Eiern sowie in diversen Gemüsesorten, besonders Möhren und Grünkohl, steckt Vitamin A. Empfohlen wird eine Tagesmenge von 0,8 bis 1 Milligramm. So gut wie niemand in Deutschland bräuchte laut Stiftung Warentest Vitamin A-Präparate, da die meisten Menschen mit ihrer Ernährung bereits genug aufnehmen.
Bei Überdosierung drohen Kopfschmerzen, Haut-, Knochen- oder Leberprobleme. Studien, auf die die Stiftung Warentest verweist, zeigen, dass Vitamin A-Präparate bei Erwachsenen die Sterblichkeit zu erhöhen scheinen und bei Rauchern Lungenkrebs begünstigen können. Vorsicht geboten ist bei beiden getesteten Präparaten: "Vitabay Vitamin A" enthält das 7,5-Fache der empfohlenen Tagesdosis, "Fairvital Vitamin A 25.000 I.E" fast das 19-Fache.
Vitamin B: Wichtig für Stoffwechselprozesse, Zellteilung und die Entwicklung von Embryos
Zum Vitamin B-Komplex gehören B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), B6 (Pyridoxin), B12 (Colabamine) sowie Biotin, Pantothensäure, Niacin (auch Vitamin B3) und Folat, dessen synthetische Form als Folsäure bekannt ist. In Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Fleisch und Fisch stecken natürlich viele B-Vitamine drin. Die benötigte Tagesmenge variiert je nach Vitamin. Erwachsene brauchen 0,3 Milligramm Folsäure sowie 0,003 Milligram B12.
Wie auch Vitamin A nehmen die meisten Menschen genügen Vitamin B über ihre Nahrung auf. Schwangeren wird im ersten Schwangerschaftsdrittel zu 0,4 Milligramm Folsäure geraten. Wer wenig oder gar keine tierischen Lebensmittel ist, kann laut Stiftung Warentest zusätzlich ein B12-Präparat benötigen. Bei sehr starken Überdosierungen können Nervenschäden drohen. Eines von fünf getesteten Vitamin B-Präparaten sind zu hoch dosiert: "Abtei B Komplex Forte" enthält doppelt so viel Niacin wie empfohlen.
Vitamin C: Wichtig für das Bindegewebe und feste Zähne
Vitamin C wirkt auch den als "freie Radikale" bekannten aggressiven Sauerstoffmolekülen entgegen. Schwarze Johannisbeeren, Zitrusfrüchte, Sanddorn, grüne Paprika und Brokkoli enthalten ebenso wie andere Obst- und Gemüsesorten natürlich viel Vitamin C. Laut Stiftung Warentest benötigen Erwachsene etwa 100 Milligramm Vitamin C pro Tag, Raucher und stillende Mütter mehr, Kinder je nach Alter weniger.
Normalerweise nimmt jeder Mensch über die Ernährung bereits mehr Vitamin C auf als nötig. Zu große Mengen können Verdauungsprobleme auslösen und vor allem bei Männern das Risiko für Nierenprobleme erhöhen. Fünf der sieben getesteten Präparate überschreiten laut Warentest die empfohlene Tagesdosierung: "Abtei Vitamin C 600 Forte", "Doppelherz Vitamin C 500 + Zink" und Taxofit Vitamin C 500" enthalten etwa das Doppelte, "Vitamin C 1000 mg von Nu U" und "Vitasyg" das Vierfache.
Vitamin D: Wichtig für den Stoffwechsel und harte Knochen
Vitamin D fördert bei Kindern den Knochenaufbau und schützt Erwachsene vor Osteoporose. In fetten Seefischen wie Lachs, Makrele und Hering kommt Vitamin D natürlich in hohen Mengen vor, ebenso wie in Eigelb und Margarine. Im Fall eines vermuteten Mangels bietet sich ein Vitamin-D-Test an.
Das meiste Vitamin D bildet der Körper im Tageslicht jedoch selbst. Sollte der Körper kein Vitamin D bilden, wird eine Tagesdosis von 0,02 Milligramm empfohlen, bei Säuglingen die Hälfte. Das kann als Prophylaxe in den Wintermonaten dienen und für Menschen mit wenig Sonnenkontakt denkbar sein. Bei Überdosierung können laut Stiftung Warentest jedoch Nierensteine und Nierenschäden drohen. Drei der sieben getesteten Präparate seien mit etwa 40 Mikrogramm pro Tagesdosis zu hoch dosiert: "Doppelherz Vitamin D 1500 I.E.", "Taxofit Vitamin D3 1500 I.E." und "Tetesept Vitamin D3 1700".
Vitamin E: Wichtig für den Schutz der Zellen und im Kampf gegen freie Radikale
In pflanzlichen Ölen wie zum Beispiel Weizenkeim-, Raps- oder Sonnenblumenöl sowie in Haselnüssen, Margarine und Getreidekeimen kommt Vitamin E auf natürliche Weise in hoher Konzentration vor. Gesunde Erwachsene haben laut Stiftung Warentest einen Tagesbedarf von elf bis 15 Milligramm Vitamin E.
In Deutschland sind die meisten Menschen gut mit dem Vitamin versorgt. Zwar gibt es Thesen, denen zufolge Vitamin E Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen könne, dafür existieren jedoch keine überzeugenden Belege, schreibt die Stiftung. In zu hoher Dosierung kann Vitamin E die Blutgerinnung stören, die Sterberate erhöhen und Prostatakrebs bei Männern begünstigen. Vorsicht sei bei allen sieben getesteten Vitamin E-Präparaten geboten, die mit 270 bis 400 Milligramm extrem hoch dosiert sind:"All-inOne Vitamine E Forte", "Vitasyg Vitamin E 400 I.E/I.U", "Abtei Vitamin E 600", "Doppelherz Vitamin E 600 N", "Salus Vitamin-E", "Sano Vitamin E 600 von Altopharma" sowie "Das gesunde Plus".
Vitamin K: Wichtig für die Blutgerinnung und feste Knochen
In grünem Gemüse wie Grünkohl, Rosenkohl und Spinat ist es enthalten, aber auch in Blumenkohl sowie in Milchprodukten, Fleisch und Eiern. Erwachsene haben einen Tagesbedarf von 0,06 bis 0,08 Milligramm.
Ein Mangel an Vitamin K kommt der Stiftung Warentest zufolge äußerst selten vor. Nur Neugeborene bekommen nach der Geburt prophylaktisch Vitamin K, da sie in Gefahr schweben, schwere Blutungen zu erleiden. Insgesamt gilt Vitamin K zwar als gut verträglich. Es kann jedoch die Wirkung gerinnungshemmender Medikamente vom Typ Curamine beeinflussen.
Menschen, die Arzneimittel mit den Wirkstoffen Phenprocoumon und Warfarin einnehmen, sollten Vitamin K höchstens nach Absprache mit einem Arzt nehmen. Zwei getestete Vitamin K-Präparate waren nach Angaben der Stiftung Warentest zu hoch dosiert: "Vitabay Vitamin K" enthalte das 15-Fache der empfohlenen Dosis, "Life Extension Super K" sogar das 34-Fache. In Multivitaminpräparaten war Vitamin K nur im Rahmen der empfohlenen Dosis enthalten.
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