Häuptling Haudegen: der Jeep Grand Cherokee im Test
Indianer wie der Jeep Grand Cherokee kennen keinen Schmerz. Jedenfalls nicht in der Prärie. Und auf der Straße?
Früher wollten alle Buben Indianerhäuptling sein. Noch schwieriger ist es heute, einen zu fahren, wie die großen Jungs mittlerweile wissen. Mindestens 50.900 Euro nimmt Jeep für den Grand Cherokee. Ganz schön viel, oder, wie wir Indianer sagen: howgh!
Andererseits darf nicht sparen, wer einem Range Rover, einem Mercedes GLE, einem BMW X5 oder einem Audi Q7 das Kriegsbeil hinwerfen will. Ginge es nach dem Jeep, fände das Kräftemessen vorwiegend im Gelände statt. Dort schlägt ihn so schnell keiner: variabler Allradantrieb mit Untersetzung und elektronisch geregelter Differentialsperre, Luftfederung mit einem Lift auf bis zu 27 Zentimeter Bodenfreiheit, Fahrprogramm-Schalter von Schnee bis Fels, Kriech-Tempomat, das pralle Offroad-Programm eben. Dazu zieht der große Häuptling bei Bedarf einen bis zu 3,5 Tonnen schweren Anhänger locker durch die Prärie.
Die Linie „Trailhawk“ ist wie geschaffen fürs Gelände
Die Ausstattungslinie „Trailhawk“ bündelt die Gelände-Kompetenz des Jeeps und verleiht ihm zusätzlich eine unwiderstehliche Optik, etwa in Gestalt der mattschwarz beklebten Motorhaube, die grotesker Weise vor allem in der City Eindruck schindet: Sowas schon mal gesehen?!
Tragen dürfen die „Trail Rated“ Plakette der Marke Jeep übrigens nur Modelle, die ohne Zusatzausrüstung den kalifornischen Rubicon Trail bezwingen, eine der härtesten Offroad-Strecken der Welt. Allerdings klettert der Preis in der Edel-Kraxel-Variante auf mindestens 64.00 Euro. Nochmal howgh.
Zur Wahrheit gehört: Verlässt er sein Stammrevier Richtung richtiger Straße, zeigt der Grand Cherokee Schwächen. Sein mächtiger Aufbau neigt sich selbst im Sportmodus tüchtig in die Kurve und schiebt gerne etwas über die Vorderräder. Lenkung und Fahrwerk geben sich weniger verbindlich als die deutschen Rivalen. Ein Gefühl von Direktheit kommt nicht auf.
Wie auf einer Aussichtsplattform
Andererseits muss man sich in einem Grand Cherokee, übrigens Deutschlands meistverkaufter Jeep, nun wirklich nicht hetzen lassen. Wie auf einer Aussichtsplattform thronen die Passagiere über dem Verkehrsgeschehen da unten. Sanft schaukelt sie der Grand Cherokee über jede Unebenheit, lästige Randsteine inbegriffen; muss manchmal sein beim Einparken. Die Platzverhältnisse sind üppig wie in einem Indianerreservat; der Kofferraum fasst schon in der Standard-Konfiguration na die 800 Liter. Wer von der Ladekante bis an die Rücksitzbänke vordringen wollte, müsste sich fast auf den Bauch legen.
Was verwöhnten europäischen Premium-Kunden gefällt: keine Spur von billiger Materialauswahl und schlampiger Verarbeitung, wie sie manchem US-Car nicht ganz zu Unrecht nachgesagt werden. Stattdessen präsentiert sich der Innenraum vergleichsweise nobel, mit handschmeichlerischen Oberflächen und für amerikanische Verhältnisse wenig Plastik. Im Interieur geht Häuptling Haudegen glatt als elegante Erscheinung durch!
Highlight für die Hinterbänkler: zwei Monitore, auf denen BlueRay-Filme geschaut werden können, unseretwegen sogar Winnetou. 1990 Euro zusätzlich kostet das grandiose Entertainmentsystem, das nebenbei störende Umgebungsgeräusche ausfiltert und zusammen mit der offensichtlich guten Dämmung für ein standesgemäßes Leise-Niveau im Innern sorgt.
Der Diesel ist erste Wahl
Gute Manieren beweist auch der V6, ein Diesel – was sonst in diesem Urviech von Auto – der aus drei Litern Hubraum 190 oder besser 250 PS schöpft. Damit lässt sich der 2,4-Tonner ausreichend flott bewegen. Mit 10,3 Litern Diesel in der Praxis (Normverbrauch: 7,9 Liter) konsumierte der kolossale Ami im Test auch nicht nennenswert mehr Kraftstoff als seine deutschen Mitbewerber. Und die Euro 6d Temp Norm schafft er ebenfalls.
Trotzdem ist ein solches Trumm hierzulande zunehmend schwer vermittelbar. Nicht so in den USA, dem Mutterland des unbegrenzten Hubraums. Die Spitze der Modellpalette markiert ein 6,4 Liter (!) großer V8-Benziner, der 468 PS leistet. Diesen Krieger würden wir nie nie nie bestellen, großes Indianer-Ehrenwort!
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