Volvo XC90: Königs Karosse
Der Volvo XC90 pflegt einen herrschaftlichen Auftritt. Aber passt der kleinbürgerliche Vierzylinder dazu? Der Test-Bericht.
Erinnern Sie sich an die königliche Hochzeit von Prinz Carl Philipp und Sofia Hellqvist am 13. Juni 2015 in Stockholm? Würden wir Automobilisten auch nicht, wäre die royale Gesellschaft damals nicht mit einer eindrucksvollen Armada kutschiert worden. 35 Volvo XC90 D5 chauffierten die hochwohlgeborenen Gäste zur Zeremonie in die Kirche des königlichen Schlosses.
Welch ein Bild, und das nicht nur für Gala-Leserinnen! Im Anschluss wurden die Volvos übrigens verkauft. Ob es einer in die Presse-Testwagenflotte geschafft hat, wissen wir nicht, obschon wir exakt dieses Modell zur Verfügung gestellt bekamen - und uns bald wie Herrscher über alle Straßen fühlten. Wer allein die Silhouette des XC 90 (hinter der sich ein BMW X5 verstecken kann) vor Augen hat, kann königliche Allmachtsfantasien entwickeln. Wuchtiger ist im Straßenverkehr so gut wie keiner.
Volvo setzt im XC90 auf Vierzylindermotoren
Dabei kaschiert das Riesen-SUV seine Proportionen geschickt hinter einem typisch skandinavischen Design, das die richtige Mischung aus Emotion und Nüchternheit, Eleganz und Sportlichkeit gefunden hat. Ein wahrhaft royales Blechkleid! Allein der kesse Blick darunter verblüfft: Das Bisschen soll der Motor sein? Die Schweden rüsten ihr neues Flaggschiff ausschließlich mit Vierzylindermotoren aus. Dem einen oder anderen Spross aus der privilegierten Käuferschicht dürfte da ein Zacken aus der Krone brechen, erwartet man doch in Fahrzeugen dieses Kalibers ein Sechs- oder gar Achtzylinderaggregat. Andererseits darf auch in höchsten Kreisen Vernunft einmal vor Prestige gehen.
Insofern verdient die mutige Volvo-Strategie Lob. Denn objektiv gesehen spricht heute nur noch wenig für die Monster-Motorblöcke vergangener Tage. Die jungen Vierzylinder bauen nicht nur kompakter, sparen viel Gewicht und besitzen vornehmere Trinksitten. Sie müssen sich auch in puncto Leistungsentfaltung nicht hinter den Hubraumriesen von einst verstecken - zumindest auf dem Papier nicht.
Der Zweiliter-Diesel im XC90 D5 wuchtet dem Datenblatt nach 225 PS und 470 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. In der Praxis wirkt er jedoch nicht so geschmeidig wie ein vergleichbarer Sechszylinder. Das könnte auch daran liegen, dass der kernige Klang des Vierzylinders unter Volllast etwas zu viel Penetranz entwickelt. Was aber mehr stört: Die Achtgangautomatik lässt sich beim Zurückschalten zu viel Zeit. So entsteht in den unmöglichsten Momenten - etwa beim Herausbeschleunigen aus Kurven - ein irritierendes Leistungsloch.
Das mag geschmäcklerisch sein, aber wer Premium sein will, muss mit höchsten Ansprüchen zurechtkommen. Die werden in dieser Klasse insbesondere an das Fahrwerk gestellt. Während etwa der Range Rover die englische Königsfamilie schwebend wie auf einem fliegenden Teppich von A nach B geleitet, erleben die schwedischen Regenten deutlich mehr Sportlichkeit, um nicht zu sagen: gesunde Härte, die allerdings auch von den hinreißend schönen 22-Zoll-Rädern herrühren könnte, die am Testwagen montiert waren. Prinz Carl Philipp jedenfalls wird es verschmerzen. Der Thronfolger pilotiert einen Volvo S60 in der schwedischen Tourenwagen-Meisterschaft.
Volvo XC90: Beim Preis ist nach oben viel Luft
Der Innenraum bietet allen erdenklichen Komfort und Luxus. Die teils von Hand verarbeiteten Materialien fühlen sich edel an. Sie sind, bis auf winzige Nachlässigkeiten an den Nähten der Lederausstattung, präzise verarbeitet. Das Bedienkonzept ist revolutionär. Statt finzeliger Knöpfe und Schalter findet man im Volvo XC90 einen horizontal angebrachten, 9,2 Zoll großen Berührbildschirm vor. Dieses Element ist ein Meisterstück. Selten war das Handling so komplexer Einstellungen und Funktionen simpler. Es kostet beispielsweise nur einen einzigen Fingertipp, um über die fantastische Audioanlage das Klangerlebnis der Göteborg Concert Hall zu imitieren.
Wer sich den schönen Schweden gönnen will, sollte über eine königliche Schatzkammer verfügen. Der Einstieg liegt bei moderaten 53.400 Euro. Doch das täuscht. Unser verschwenderisch ausgestatteter Probant, der dank einer dritten Sitzreihe bis zu sieben Passagieren Platz bot, hätte satte 97.000 Euro gekostet. Nur Heiraten ist teurer.
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