Krumbach: Blick in den menschlichen Abgrund

VonAnnegret Döring

Literaturherbst: Was Gefängnisarzt und Schauspieler Joe Bausch aus dem Alltag des Knasts berichtet. „Da kriege ich Leben mit, das schwer auszuhalten ist“

„Nirgendwo habe ich mehr über Moral, Menschlichkeit und Menschenwürde gelernt als in meinem Elternhaus und im Theater. – und nirgendwo wurde ich schwerer geprüft als im Knast.“ Der das sagt, sitzt nicht etwa eine Haftstrafe im Gefängnis ab. Dennoch geht er regelmäßig hin, und zwar seit über 25 Jahren: Die Justizvollzugsanstalt Werl, eine der größten in Deutschland, ist sein Arbeitsplatz, und er ist dort der Gefängnisarzt. „Bei uns sind die Bösen, wir sind zuständig für die Gefährlichen, das, was man früher als den Abschaum der Gesellschaft bezeichnet hat“, erklärt er.

Moral, Menschlichkeit und Menschenwürde sind in seinem Arbeitsleben ständigen Angriffen ausgesetzt, sei es durch die auf die Psyche von Insassen und Personal wirkende äußere Situation in Haft, sei es durch Streit, Drohungen und Gewalt unter den Insassen oder durch persönliche Angriffe und Strafanzeigen der Inhaftierten gegen den Anstaltsarzt. Von den Details des Lebens hinter Gefängnismauern, vom Funktionieren des Betriebs, aber auch von den Verflechtungen derer, die einsitzen, mit den draußen Lebenden erzählt Joe Bausch als Insider. Er ist Botschafter aus einer Welt, die sich niemand recht vorstellen kann und die auch durch Hunderte Krimis in Film, Fernsehen und Literatur nicht annähernd realistisch ins Bewusstsein der Unwissenden rückt.

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