Mütterrente ja, aber nicht so
Die künftige schwarz-rote Regierung will ein kleines Füllhorn über den Rentnern ausschütten. Solch umfangreiche Reformpläne gab es lange nicht. Die Koalition bewegt Milliarden, um aus heutiger Sicht nicht länger vertretbare Ungerechtigkeiten gegenüber Müttern und lang gedienten Arbeitnehmern zu beseitigen. Es sind aber Milliarden, über die sie selbst nur teilweise verfügt. So hat insbesondere die CDU nun die drängende Frage zu klären, warum ausgerechnet die Beitragszahler die Zeche bezahlen müssen – und nicht der Steuerbürger.
Was im Koalitionsvertrag steht, repariert zunächst einmal politische Fehler früherer Regierungen. Sie haben schon einmal Müttern einen höheren Rentenanspruch eingeräumt – für jedes Kind ab dem Geburtsjahr 1992. Mehr wäre vermutlich nicht zu bezahlen gewesen. Dies war als zusätzliche Vorsorge auf der einen und als Anreiz zum Kinderkriegen auf der anderen Seite gedacht. Jetzt will die Politik Gerechtigkeit für alle Mütter, weil die Ungleichbehandlung nur schwer begründbar ist. Was dabei allzu gerne verschwiegen wird: Für die Frauen in Mutterschaft fließen auch Beiträge an die Rentenversicherung, und zwar aus der Bundeskasse.
Anders als bei der Mütterrente will Schwarz-Rot dagegen den ordnungspolitisch korrekten Weg bei der „solidarischen Lebensleistungsrente“ einschlagen. Diese Aufstockung von Altersbezügen für Menschen, die trotz jahrzehntelanger Berufstätigkeit mit ihrer Rente unterhalb des Existenzminimums liegen, wird aus Steuermitteln bezahlt. Auch das ist keine klassische Aufgabe der Rentenversicherung, sondern eine Sozialleistung des Staates wie Hartz IV und die Grundsicherung.
Warum also die Beitragszahler alleine für die jährlich 6,5 Milliarden Euro an die älteren Mütter aufkommen sollen, bleibt vorerst ein Geheimnis der Politik. Natürlich belastet solch ein Betrag den Bundeshaushalt über Jahrzehnte hinweg: Mütter, die 1991 ein Kind bekommen haben, sind heute in der Regel zwischen 40 und 60 Jahre jung. Finanzwissenschaftler erwarten eine Gesamtsumme von 50 Milliarden Euro. Solch eine Ausgabe läuft allen Bestrebungen zuwider, endlich einen Etat ohne zusätzliche Schulden und vor allem ohne Steuererhöhung präsentieren zu können.
Viel entscheidender dürfte sein, dass die Rentenkasse gefüllt ist wie nie zuvor. Das weckt Begehrlichkeiten. Ohne diese 30-Milliarden-Reserve im Hinterkopf hätte vermutlich kein Politiker gewagt, die Mütterrente ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Immerhin sind Union und SPD schon zu der Erkenntnis gelangt, dass sich die ausgeweitete Sozialleistung nicht mit der ursprünglich geplanten Senkung des Rentenbeitrags von 18,9 auf 18,3 Prozent verträgt. Diese wäre eigentlich zum Jahresbeginn fällig gewesen, um die Rentenreserven nicht weiter anwachsen zu lassen. Jetzt muss in der Woche vor Weihnachten im Eilverfahren diese bewährte Mechanik der Beitragssatzberechnung ausgehebelt werden. Wenn in wenigen Jahren erwartungsgemäß die Reserven aufgebraucht sind, kommt es für die Beitragszahler knüppeldick. Der jüngeren Generation droht eine ruinöse Belastung.
Fragt sich schließlich, warum allein die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten für die Lasten aufkommen sollen und warum nicht die Beamten und die Selbstständigen, die nicht in das Rentensystem einzahlen. Das ist eine der größten Schwächen der schwarz-roten Pläne, möglicherweise sogar der erste größere handwerkliche Fehler in der künftigen Regierungsarbeit, der von den höchsten deutschen Gerichten korrigiert werden könnte, wenn es denn einen Kläger gibt.
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