Zeichen der Zeit
Das Einsteinhaus am Kornhausplatz ist ein belebter Ort. Jetzt zum Ende der Ferien, gehen die Menschen ein und aus im Sitz der Ulmer Volkshochschule (vh). Seit einiger Zeit ist es auch ein historischer Ort: Im Laufe der vor rund zwei Jahren abgeschlossenen Sanierung wurde das 1967/68 durch das Ulmer Architekturbüro Eychmüller, Sykora, Krauss errichtete Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. In der erstmals stattfindenden „Nacht des offenen Denkmals“ am Samstag ist es Ziel von Führungen.
Von Marcus Golling
Ulm Dabei sind die Bauten der Nachkriegszeit in der Bevölkerung nicht sehr populär. Christoph Kleiber von der Unteren Denkmalschutzbehörde erklärt: „Es dauert etwa 30 Jahre, bis eine Epoche von der Bevölkerung als interessant wahrgenommen wird.“ Dem Denkmalschutz komme dabei die Aufgabe zu, bedeutende Bauten für spätere Generationen zu bewahren – auch wenn sie von den Zeitgenossen nicht unbedingt als erhaltenswert wahrgenommen werden. Kleiber: „Eine Urkunde würde man auch nicht wegwerfen, nur weil man eine Kopie hat.“ Dabei gebe es klare Vorgaben: Schützenswert kann ein Gebäude aus wissenschaftlichen, heimatgeschichtlichen oder künstlerischen Gründen werden. So etwa das FH-Gebäude von Günter Behnisch aus dem Jahr 1963, laut Kleiber ein erhaltenswertes Beispiel für den frühen Betonfertigteilebau – auch wenn die Nutzer über ständige Zugluft klagen. Geschützte Gebäude sind unter anderem auch das Theater (Hochstrasser: „Prototyp des Kleinstadttheaters“) oder die Gänstorbrücke.
Die vh ist für den Experten als gelungenes Beispiel für den Stahlskelettbau der Zeit interessant, aber nicht nur: Sie steht laut Kleiber auch für den demokratischen Aufbruch der Nachkriegszeit, der sich in der auf bürgerschaftlicher Teilhabe gebauten Idee der Volkshochschulen ebenso spiegelt wie in der offenen und transparenten Architektur des Gebäudes – Parallelen zur HfG, freilich ein Denkmal von nationalem Rang, sind spür- und sichtbar. Für Architekt Adrian Hochstrasser, der die Sanierung des Einsteinhauses leitete, ist dieses zwar „weniger archetypisch als andere Bauten der Zeit“, aber ein Teil der Ulmer Identität. Und schon als Kind habe ihn fasziniert, dass überall in dem Haus Teppichböden verlegt seien. So auch im fast originalgetreu erhaltenen „Club Orange“ im Obergeschoss mit seinen runden Tischen und orangefarbenen Sesseln.
Die Teppichböden sind auch nach der Sanierung noch da – natürlich erneuert. Auch sonst bemerken nur wenige die Veränderung in und an dem Gebäude – das exemplarisch für die Herausforderungen im Zusammenspiel zwischen Denkmalpflege und heutigen Anforderungen steht. „Eine angemessene Nutzung ist wichtig für den Erhalt eines Denkmals“, erklärt Kleiber. Deswegen müssten immer auch Kompromisse geschlossen werden. Diese offenbaren sich auf den zweiten Blick: Denn die Außenmaße des Gebäudes haben sich verändert – dank der Wärmedämmung, die für die energetische Sanierung nötig war. Dazu wurden auch die Eternit-Fassadenplatten durch solche aus Metall ersetzt, die Schiebe- gegen Flügelfenster. Eine Einhausung des offenen Treppenhauses, wie zunächst aus Brandschutzgründen gefordert, konnte der Planer durch den Einbau neuer Fluchttüren vermeiden.
Das renovierte Einsteinhaus offenbart seine Reize auch dem Laien. Für den Denkmalschutz ist das aber irrelevant: „Auch ein potthässliches Haus kann eine Aussagekraft für eine bestimmte Zeit haben“, sagt Kleiber. Entscheidend seien gewisse Alleinstellungsmerkmale. Könnte das bedeuten, dass am Ende auch das Neu-Ulmer Donaucenter, oft als städtebaulicher Schandfleck verachtet, irgendwann zum Denkmal wird? „Es könnte passieren“, sagt Kleiber. „Wenn die Kriterien aber nicht erfüllt sind, würde es mir nicht wehtun, wenn es nicht erhalten bliebe.“
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