Das Schicksal der Kinderbräute
In der Türkei ist Ehehandel keine Ausnahme. Unsere Korrespondentin Susanne Güsten erzählt die Geschichte der kleine Bedia, die durch die Hölle gegangen ist. Für ein Brautgeld von 6000 Euro hat ihre Familie die Zwölfjährige an einen türkischen Mann verkauft - der dreimal so alt ist wie sie.
Die kleine Bedia ist durch die Hölle gegangen. Für ein Brautgeld von umgerechnet rund 6000 Euro wurde das 12-jährige Mädchen aus Syrien kürzlich von ihrer Familie einem mehr als dreimal so alten Mann in der Türkei zur Frau gegeben.
Wenige Wochen später alarmierte ihre Familie die türkische Polizei. Das Mädchen war von ihrem vorbestraften Ehemann verprügelt, vergewaltigt und unter Drogen gesetzt worden. Nun ist Bedia wieder zu Hause, doch die Familie des Mannes fühlt sich hintergangen: "Sie haben uns betrogen", sagte dessen Mutter über Bedias Eltern. "Sie werden das Mädchen jetzt anderswo verkaufen."
Völlig unwahrscheinlich ist das nicht. An der Grenze zwischen der Türkei und Syrien, wo kürzlich die Visumspflicht für gegenseitige Besuche aufgehoben wurde, blüht verschiedenen Presseberichten zufolge ein regelrechter Handel mit Kinderbräuten.
Junge Zweit- oder Drittfrau aus Syrien
Zwischen 2500 und 17.000 Euro müssen Interessenten für eine Kinderbraut hinlegen, wie die Zeitung Aksam meldete. Manche wohlhabenden türkischen Männer legen sich demnach eine junge und offiziell illegale "Zweit- oder Drittfrau" aus Syrien zu.
Die alte Tradition des Brautgeldes verbindet sich mit der wirtschaftlichen Not vieler Familien im türkischen Südosten: Sie wollen ihre Töchter so früh wie möglich aus dem Haus haben. "Nicht nur an der syrischen Grenze werden Mädchen illegal und oft gegen ihren Willen verheiratet. Bei einer von vier Eheschließungen in der Türkei ist einer der Partner minderjährig", hat ein Ausschuss des türkischen Parlaments jetzt festgestellt. Im Südosten des Landes liege die Rate bei fast 70 Prozent. Meistens sind es Mädchen, die von ihren Familien weit unter dem gesetzlichen Mindestalter von 17 Jahren als Kinderbräute hergegeben werden.
Manche werden erneut verkauft oder sogar getötet
Bedia konnte immerhin zu ihrer Familie zurückkehren. Andere Kinderbräute wählen dagegen aus Verzweiflung über ihr Schicksal den Tod, sagen Frauenrechtlerinnen. Einige werden von der Familie ihres Mannes getötet.
"Die Eheschließung erfolgt in einer religiösen Zeremonie, die gesetzlich keinen Bestand hat und zudem eine Straftat darstellt. Trotzdem sei die Praxis insbesondere bei konservativen Schichten der Bevölkerung Normalität", zitierte Hürriyet aus dem Bericht des Parlamentsausschusses. Auch das türkische Religionsamt versucht gegenzusteuern, indem es die Ausbeutung von Frauen und Mädchen sowie Zwangsehen öffentlich verdammt. Der Parlamentsausschuss stellte in seinem Bericht fest, "falsche religiöse Auslegungen und Traditionen" müssten bekämpft werden. Mehr Bildung und eine bessere Aufklärung seien die richtigen Mittel, um die Kinderbräute zu retten. Susanne Güsten
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