Hape Kerkeling ist einfach zu oft weg
Hape Kerkeling hat Deutschland bereichert. Der Entertainer, der jetzt 50 Jahre alt wird, hat uns nicht nur Königin Beatrix und Schlager nähergebracht. Auch Pilger sind ihm dankbar.
Was soll das? War das Fernsehen zu Beginn der 90er Jahre auf einmal unberechenbar geworden? Was hat ein polnischer Tenor mit Namen Miroslav Lem gemeinsam mit Pjotr Stjonek alias Achim Hagemann am Flügel da nur angestellt? Klar. Hape Kerkeling steckte dahinter.
Location: der Ratssaal der norddeutschen Gemeinde Stuhr. Die aufgeführten Liedzeilen „Der Wolf, das Lamm, auf der grünen Wiese – das Lamm schreit: ,Hurz!‘“ stießen im TV-Publikum auf Zustimmung, sogar und vor allem bei den auf Klassik-Abonnements geschulten Zuschauern. So viel Toleranz muss sein heutzutage (Zähneknirschen).
Johannes B. Kerner wird heute übrigens auch 50
Hape Kerkeling wird heute 50 Jahre alt. Und wie er im Vorfeld schon erklärt hat, sei er mal weg. Im Warmen. Johannes B. Kerner wird heute übrigens auch 50. Der ist nicht weg. Mit ihm plant das ZDF eine neue Samstagabend-Show.
Hape Kerkeling gilt als kluger Mensch. Das Kerner/Pilawa-Fach überlässt er lieber diesen Allzweckwaffen. Weil er Hape ist und kein stereotyper Quiz-Onkel, und womöglich auch, weil er ein Fernsehen liebt, das es so nicht mehr gibt. Schon gar nicht für jemanden wie ihn, der den Bembel-Moderator Heinz Schenk lustig fand.
Der Mann hat sich einer Jubel-Show entzogen. Als das ZDF ihn feierte, war er dann wirklich weg. Barbara Schöneberger hat ihn im Fernsehen gut vertreten. Ruhe haben, am Schreibtisch sitzen, vielleicht die Idee zu einem neuen Buch entwickeln, das ist im Moment seins.
Das Fernsehen, dem er seine Karriere verdankt und das wegen Hapes Werk und Witzes Beitrag dem 50-Jährigen gerne alle möglichen Moderationen antragen würde, wird vorerst ohne ihn auskommen müssen. „Jetzt mache ich wirklich erst mal gar nichts. Irgendwie setze ich mich wieder an den Schreibtisch“, hat Kerkeling kürzlich gesagt.
Heißt das, wir müssen künftig auf Horst Schlämmer verzichten, den Redakteur vom Grevenbroicher Tagblatt mit Schnappatmung, Herren-Handtäschchen, schlecht sitzendem Trenchcoat und Überbiss? Der unsereinem manchmal aus der Seele spricht, aber auch als Abschreckung dient. Hape sei Dank!
Wenn Hape erst mal nicht mehr ins Fernsehen will: Könnte aus der Schreibtischsitzung ein neues Buch entstehen? Eines wie der Millionenseller „Ich bin dann mal weg“, das 2006 mit dem Pilgerboom rund um das nordspanische Santiago de Compostela zusammenfiel. Der aufrichtige Kerkeling animierte in einfachen Worten Legionen von Christen wie Atheisten zur Selbstfindungssuche, diesen Weg zu gehen – auch wenn das finale Kirchenerlebnis vielen letztlich nur als eine Art von Abschlussevent galt.
Als "Hannilein" brachte er ein bisschen Punk ins Fernsehen
Wahrscheinlich hat der gebürtige Recklinghäuser seinen Abschied von der Quotenfront des Entertainment-Fernsehens richtig gewählt. Als trotziges, rothaariges „Hannilein“ brachte er, der Jungspund, ein bisschen Punk ins Fernsehen. Und mit „Total normal“ (ab 1989) bestätigte er mit seinen Überfällen auf Seherwartungen und überkommene Etikette, dass Comedy made in Germany möglich ist. Man denke nur an den oft im Fernsehen wiederholten Auftritt von Hape als huldvoll nickende niederländische Königin Beatrix, die sich auf ein „lecker Mittagessen“ freut.
Die Art und Weise, wie er in seinen allerdings nicht so erfolgreichen Spielfilmen („Samba in Mettmann“) seine Herkunft einbaute, machte Kerkeling zu einem Menschenbeobachter, der typische Figuren des Kohlenpott-Milieus ebenso treffsicher ironisierte wie Loriot die Gesellschaft seiner preußisch-skurrilen Verwandtschaft.
Hape Kerkeling und Loriot sind immer gegen den Mainstream angeschwommen. Es kam keiner nach, der ihnen auch nur annähernd die Show hätte stehlen können. Dass Hape erst kürzlich zum beliebtesten deutschen Komödianten gewählt wurde – vor Mario Barth und Dieter Nuhr –, das spricht Bände, aber stimmt schon wegen Barth nachdenklich.
Er mache sich nicht rar, um begehrter zu sein, sagte Kerkeling im März. „Ich mache mich rar, weil ich mich rarmachen will.“ Nachvollziehbar. In seiner Freizeit beschäftigt er sich gerne mit dem deutschen Schlager. Im Frühling brachte er das Schlageralbum „Ich lasse mir das Singen nicht verbieten“ heraus, die Erfüllung eines Kindheitstraumes.
Kerkelings Buch: „Der Junge muss an die frische Luft“
Kerkeling ist ein Kind der 70er Jahre – Dieter Thomas Heck und Ilja Richter waren für ihn diejenigen, die die Klänge seiner Sehnsucht lieferten. Wenn er im Fernsehen eine Duettpartnerin wie die auf Italien programmierte Schweizerin Michelle Hunziker trifft, singt er gerne „Komm ein bisschen mit nach Italien“. Auch auf Italienisch.
Im Herbst erschienen seine Memoiren „Der Junge muss an die frische Luft“, in denen er viel aus seiner Kindheit im Ruhrgebiet erzählt, von den Omas, der schillernden Verwandtschaft, lieben Schulfreunden, von „Bonanza“, aber auch bewegenden Begegnungen als Erwachsener, etwa mit der Schauspielerin Barbara Valentin und dem Dalai Lama. Beide in einem Satz genannt, das würde Hape akzeptieren.
In dem Buch, Nummer eins auf der Bestsellerliste, thematisiert Kerkeling auch den Suizid seiner Mutter Margret im Jahr 1973. Das Kind war damals acht Jahre alt. In Interviews betonte Kerkeling, er glaube, dass es Betroffenen helfen könne, wenn ein Promi eine Erfahrung wie diese öffentlich mache.
Stunden hat der kleine Hape oft im Krämerladen seiner Oma verbracht, wo er die Frauen beim Einkaufen beobachtete. Ein Erfahrungsschatz, der ihm später in seiner Arbeit zugutekam. Inzwischen sucht Hape Kerkeling nach seinen vielen TV-Erfolgen die Rolle des nachdenklichen Schriftstellers.
Hape Kerkeling lebt seit einigen Jahren in Berlin
Zweimal hat er die Moderation von „Wetten, dass . .?“ abgelehnt, obwohl er als wahrscheinlich Einziger das Zeug gehabt hätte, in Gottschalks Fußstapfen zu schlüpfen. Kerkeling lebt seit einigen Jahren in Berlin, außerdem ist er oft und gerne in Italien. Zu seinem Privatleben verliert er wenige Worte. In seiner Autobiografie ist diskret von seinem „Freund Henning“ die Rede, mit dem er demnach seit 2010 zusammen ist. 27 Jahre lang hatte er zuvor einen italienischen Freund.
Dass Kerkeling schwul ist, wurde vor 23 Jahren ganz plötzlich öffentlich. Einen Tag nach dessen 27. Geburtstag trat der Schwulenaktivist Rosa von Praunheim bei RTL auf und outete den TV-Liebling gegen dessen Willen als homosexuell.
Etwa ein Jahr nach dem Outing sagte Kerkeling im Spiegel: „Sensiblere Naturen als ich hätten sich in einer Kurzschlusshandlung womöglich mit dem Fön in die Badewanne gelegt.“ Doch das Publikum habe „irre normal reagiert“.
Was kann noch kommen von Kerkeling? Ein Ausbau seines humanitären Engagements etwa für die Deutsche Aids-Stiftung? Oder doch noch einmal eine schräge Figur aus Hapes Menschenkosmos?
Mag das ganze Leben auch ein Quiz sein, wie er mal sang, über den Job des Quizmasters ist er hinaus. Aber das deutsche Fernsehen könnte Hape Kerkeling gut brauchen.
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