Happy Herbert
Knapp 50.000 singen mit einem prächtig aufgelegten Herbert Grönemeyer im Olympiastadion – das etwas krude Programm serviert Hits genug und das Wetter eine nette Pointe obendrauf.
Wo der Herbert doch so überschwänglich fröhlich war, da wollte der Wettergott auch nicht zurückstehen und auch noch seine Pointe draufsetzen. Zweieinhalb Stunden lang hatte er zu diesem typisch Grönemeyer-haft schönen Abend im Olympiastadion die perfekte Sommermilde serviert; und dann, im bereits dritten Zugabenblock - es ist kurz vor 23 Uhr und Herbert singt gerade ausgerechnet „Lass es uns nicht regnen“ – zucken plötzlich Blitze am Himmel und ein starker Regenguss geht hernieder. Eigentlich doch ein Kalauer, weil Herbert im Lied doch das Wetter nur symbolisch fürs zwischenmenschliche Klima heranzieht.
Aber wer sagt schon, dass ein Wettergott den Schenkelklopfer meidet? Und vielleicht hat er den natürlich wieder ordentlich nuschelnden Herbert auch nur nicht verstanden – oder sich gedacht: „Was singt der da? Lass es uns nicht regnen, es ist schon schwer genug? Von wegen.“ Und hätte damit jedenfalls recht gehabt. Denn fast nichts war schwer an diesem Dienstagabend in München. Und so singen die noch verbliebenenen Zuschauer umso inbrünstiger mit, werden vom Herbert wie zur Belohung noch mit seinem „Mambo“ verzückt und schließlich mit „Unfassbarer Grund“, dem 29. Song des Abends, in die noch immer milde und schon wieder regenfreie Nacht entlassen.
Ja, im Grunde war nichts schwer an diesem Abend. Das Stadion war mit fast 50000 Zuschauern zwar bei weitem nicht ausverkauft, aber doch so ordentlich gefüllt, dass die La Ola, die Welle der Begeisterung, schon einige Minuten vor dem Auftritt Grönemeyers ausgiebig durchs Oval schwappte.
Punkt 20.30 Uhr dann der Showbeginn (leicht verzögert offenbar wegen technischer Probleme, aber ein Grönemeyer darf ja doch ein bisschen über die Sperrstunde um 23 Uhr hinausspielen – kein Programmverlust also). Und Herbert tritt auf die vom Starfotografen Anton Corbijn entworfene, etwas luftige Bühne, die mit einem langen und einem kurzen Steg ins Publikum ausgreift, und serviert gleich mal drei Songs seines aktuellen Albums: den Titelsong „Schiffsverkehr“, das ruppige „Kreuz meinen Weg“ und das beschwingte „Fernweh“. Dann aber Grönemeyer-Historie: Herbert hockt sich ans Klavier und spielt schon jetzt – es ist noch taghell und noch nicht recht innig – die Schmachballade „Halt mich“, schiebt seinen Bekenntnisrocker „Bochum“ hinterher und gleich darauf das älteste Stück des Abends, das immernoch zündende „Musik nur, wenn sie laut ist“. Spätestens da stehen auch auf den Rängen fast alle und der Abend kommt ins Rollen.
Und der Herbert, in pinken Turnschuhen zum Anzug, ist locker, wird immer lockerer, witzelt gleich mal darüber, dass ihn das alles schon ziemlich anstrengt und sein schwitzendes Antlitz wohl nicht der größte Wohlgenuss ist. Und drosselt gleich mal wieder das Tempo. Vielleicht liegt es also daran, dass das Programm des Abends (bis auf die Reihenfolge der Zugaben identisch zu allen anderen Tourneestationen) ein ziemlich krude in den Stimmungen wechselnder Grönemeyer-Galopp wird.
Die Arena kommt so richtig in Bewegung, als Herbert seinen Klassiker „Männer“ spielt und hinterher das vergnügliche „Was soll das“ – da bricht der Spaß mächtigst möglich am eigentlich ja aufgrund des damit verbundenen Todes seiner Frau traurig bewegenden „Der Weg“. Und direkt im Anschluss politisiert Herr Grönemeyer, bezeichnet den Krieg in Afghanistan als absurd, fordert die sofortige Rückkehr der deutschen Soldaten und schickt das martialisch polternde „Auf dem Feld“ hinterher.
"Kopf hoch, tanzen!", sagt Herbert. Und die Menge tanzt
Und dann wieder: „Kopf hoch, tanzen!“ Holla, da wird einem schon ein bisschen schwindlig. Jedenfalls verhindert das, dass sich eine dieser Stimmungen, ob Innigkeit oder Tanzeslust einmal wirklich ausbreitet. Es regiert allein: die Gutgelauntheit des Herbert. Aber im Verbund mit all den Hits, die da noch folgen, und angesichts eines ohnehin feierbereiten Publikums reicht das locker für einen schönen Abend mit gelegentlichen Triumphpunkten.
Natürlich ist das in erster Linie „Mensch“ – diese neuere Hymne, die ihm vor gut zehn Jahren nicht nur ein grandioses Comeback und den endgültigen Platz im deutschen Pop-Olymp beschert hat, sondern Herbert auch an diesem Abend in München wieder in den Ovationen baden lässt. Aber es ist auch die Party-Stimmung zum WM-Hit „Zeit, dass sich was dreht“, mit seinem Refrain inmitten eines irgendwie Multi-Kulti-artigen Stückwerks wie gemacht für ein Stadion wie dieses – Mitsingtaumel also. Aber es ist auch das zu Beginn des zweiten Zugabenteils aus der Stille leuchtende „Flugzeuge im Bauch“ – immer wieder faszinierend, wie ein Lied von Wut und Schmerz und Traurigkeit bei einem solchen Konzert zu einem Höhepunkt der gemeinsamen Freude wird.
Ein wunderschöner Abend
Danach übrigens beginnt sich das Stadion doch zusehends zu leeren. Vielleicht haben manche den Regen aufziehen sehen, vielleicht haben manche nach ohnehin ausgedehnten Feierlichkeiten mit einem dritten Zugabenblock nicht mehr gerechnet – jedenfalls ist zum Zeitpunkt, als der Wettergott seinen Kalauer sendet, höchstens noch die Hälfte, eher nur noch ein Drittel der Zuschauer da. Aber der Herbert tanzt weiter, wird selbst ordentlich nass und dankt am Schluss zum wohl 43. Mal „für einen wunderschönen Abend“.
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