Rasend aggressiv im Straßenverkehr
Auf deutschen Straßen geht es oft unschön zu: Meist Männer drängeln und beschimpfen. Grund ist immer wieder Zeitdruck. Fahrer schwarzer Autos gelten als besonders aggressiv.
Der tägliche Kampf auf deutschen Straßen: Hetzerei, Rücksichtslosigkeit, lebensgefährliches Risiko. Ob geballte Fäuste, wutverzerrte Gesichter, Auffahren bis zur Stoßstange, Lichthupen, Abdrängen, Ausbremsen oder rechts überholen – die Erscheinungsformen von Aggressionen im Straßenverkehr sind vielfältig.
Raserei plus Aggression: Todesursache Nummer eins auf deutschen Straßen
Die Gründe für das Phänomen liegen Verkehrsexperten zufolge auf der Hand: Auf der einen Seite gibt es immer mehr Autos, die immer schneller fahren können, auf der anderen Seite wächst der subjektiv empfundene Zeitdruck – das führt zu steigender Aggressivität.
Raserei verbunden mit aggressivem Verhalten ist die Todesursache Nummer eins im Straßenverkehr: 3760 Menschen starben im vergangenen Jahr bei Unfällen, Tendenz glücklicherweise zuletzt leicht abnehmend. Die Zahl der Unfälle jedoch steigt. Grund genug, das Thema „Aggression“ beim heute beginnenden Verkehrsgerichtstag in Goslar genau unter die Lupe zu nehmen.
Viele fühlen sich schon durch Baustellen provoziert
Oft reicht bereits ein kleiner Auslöser, um die Gefühle verrückt spielen zu lassen. Verkehrsforscher haben herausgefunden: Viele Menschen fühlen sich schon durch Baustellen oder zögerliches Anfahren provoziert.
Jens Schade, Verkehrsforscher an der Uni Dresden, sagt: „Die Leute wollen ihr Ziel schnellstmöglich erreichen. Damit das gelingt, ist ihnen jedes Mittel recht.“ Aggression im Straßenverkehr sei kein Selbstzweck, behaupten Verkehrspsychologen. Aggressive Autofahrer wollten ihren Willen durchsetzen. Gelingt das nicht, fühle man sich zurückgesetzt, quasi als Opfer.
Duell zwischen Schleicher und Drängler
Oft ist es ein Duell Schleicher gegen Drängler. Immerhin 80 Prozent fühlten sich durch dichtes Auffahren bedroht. Umgekehrt ärgern sich 30 Prozent der Autofahrer über Langsamfahrer. Die einen fühlen sich jeweils vom anderen provoziert. Und oft ist es schwer zu unterscheiden, wer Opfer und wer Täter ist. „Die meisten denken jeweils, die anderen sind schuld“, ergaben Untersuchungen des ADAC.
Mehr als die Hälfte aller Autofahrer fühle sich mittlerweile als Opfer von Aggressionen.
Zumindest von den Rasern gibt es ein relativ genaues Täterbild: Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), beschreibt es so: „Der klassische Typ Drängler ist ein Mann in den besten Jahren, der Erfolg hat, ein großes Auto fährt und viel unterwegs ist. Deswegen glaubt er, besser zu sein als andere.“
Besonders Fahrer schwarzer Autos gelten als aggressiv
Und noch weitere Kriterien gibt es: Das Statistische Bundesamt stellte im Jahr 2010 fest, dass von 174 558 wegen Straftaten im Straßenverkehr verurteilten Menschen über 85 Prozent Männer waren. Bedroht fühlen sich einer ADAC-Befragung zufolge 50,6 Prozent der Autofahrer von BMW-Fahrern. Ein knappes Drittel fühlte sich von Mercedes-Chauffeuren bedrängt und rund ein Viertel von Audi-Lenkern.
Fahrer von schwarzen Fahrzeugen sind besonders verdächtig: 43,5 Prozent der Befragten unterstellen ihnen aggressives Verhalten im Straßenverkehr.
Am wildesten geht es auf den Autobahnen zu: Während sich auf Landstraßen lediglich 16 Prozent bedroht fühlen, sind es im Stadtverkehr immerhin 22 Prozent und auf Autobahnen sogar mehr als die Hälfte der Fahrzeuglenker.
Untersuchung zeigt: Raser sparen nicht viel Zeit
Dabei ist Rasen im Grunde völlig unsinnig. Dies zeigt eine Untersuchung der Universität Nürnberg. Dabei hat man festgestellt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen nur zwischen 80 und 105 Stundenkilometern liegt.
Bei einer Testfahrt von Frankfurt nach München gelang es einem „aggressiven Temposünder“ gegenüber einem „vernünftigen Autofahrer“ unter optimalen Bedingungen, gerade einmal 30 Minuten Zeitgewinn herauszufahren.
Verkehrspsychologen raten zum Durchatmen in strittigen Situationen
Aggressives Verhalten im Straßenverkehr lohnt sich also nicht. Was aber tun, um die Emotionen in den Griff zu bekommen? Schärfere Sanktionen sind nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) nicht nötig. Experten sehen das Problem eher darin, dass aggressive Fahrer zu selten erwischt werden.
Der ADAC macht sich für mehr Kontrollen stark. Aggressive Fahrer müssten angehalten und direkt mit ihrem Verhalten konfrontiert werden. Unfallforscher Brockmann fordert mehr moderne Videotechnik für Polizisten, die Raser mit ihren Zivilfahrzeugen stellen sollen.
Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, raten Verkehrspsychologen in strittigen Situationen zum „Durchatmen“ und sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen: Meist stecke beim anderen Autofahrer keine Absicht dahinter und nur in den seltensten Fällen eine, die einen persönlich treffen soll.
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