Roy Black: Für seine Fans ist er unsterblich
Auch 20 Jahre nach seinem Tod ist Roy Black für seine Fans unsterblich. Susann Meyer verbindet mit dem Sänger mehr als bloße Schwärmerei. Die Geschichte einer Liebe.
Permanent klingeln die Telefone. Mal zückt sie ihr Handy, mal muss sie ans Festnetz. Susann Meyer zieht die Augenbrauen genervt hoch. Sie will dem Besucher ein neues Stück der Cannons vorspielen, Roy Blacks Band aus Jugendjahren, in dem die Stimme des Sängers posthum eingespielt ist. Exakt in dem Moment, als die Stimme einsetzt, wird Meyer unterbrochen. „Mann, gerade an der Stelle“, ruft sie ärgerlich. Sofort aber zügelt sie ihre Emotion. Am Apparat ist ein Redakteur von Radio Evergreen.
Der Mann vom Berliner Internetsender bittet die 44-Jährige um die Telefonnummer von Walter Höllerich, dem Bruder des Schlagerstars, dessen Todestag sich an diesem Wochenende zum 20. Mal jährt. Doch Susann Meyer rückt die Nummer nicht heraus – dabei benötigt sie der Sender für eine gute Sache. Er widmet dem Sänger Gerd Höllerich, dem man aufgrund seines pechschwarzen Haares den Künstlernamen Roy Black verpasste, am Sonntag von 20 bis 22 Uhr ein zweistündiges Gedenken und will den Bruder interviewen. Meyer aber bleibt hart: „Die Nummer ist privat, das darf ich nicht“, sagt die Frau, die ein Fan ist. Und so etwas wie die Nachlassverwalterin von Roy Black.
Am 9 Oktober vor 20 Jahren starb der populäre Sänger aus Augsburg einsam in einer Fischerhütte im oberbayerischen Heldenstein. Herzversagen hieß es damals. Inzwischen enthüllen Boulevardblätter, dass der tatsächlich schwer Herzkranke vier Promille Alkohol im Blut hatte. Susann Meyer stellen sich bei derartigen Schlagzeilen „die Nackenhaare auf“, wie sie sagt. „Solche Schlagzeilen hat Roy nicht verdient.“ Black sei ein einzigartiger Mensch gewesen. Vielleicht aber konnte er schlecht nein sagen. Er sei ein von Terminen Getriebener gewesen, sagt Meyer. „Er hatte immer zu wenig Zeit für sich.“
Susann Meyer erzählt von ihrem letzten Telefonat, das sie nur wenige Wochen zuvor mit ihrem Idol führte. Die Worte sprudeln nun aus der Beamtin, die nebenbei Wirtschaftswissenschaften studiert, heraus wie aus einer frisch angezapften Quelle. Dass Roy Black, wie Gerüchte sagen, sich selbst umgebracht haben könnte, schließt Meyer aus, kategorisch. „Er hatte doch noch so viele Pläne.“ Eine weitere Staffel der Erfolgsserie „Ein Schloss am Wörthersee“ stand an, mit seiner Augsburger Jugendband, den Cannons, sei ein Comeback geplant gewesen. „Es lief doch alles super für ihn.“
Nun ja. Dass sich Black etwa von seiner zweiten Lebensgefährtin und deren Tochter trennen wollte, das überspringt Susann Meyer. Stattdessen beschreibt sie den Frauenschwarm mit dem besonderen Timbre in der Stimme als einen Menschen, der lieber ein „Naturbursche“ gewesen wäre, als ein Star der Glitzerbühnenwelt zu sein. Zumindest war es so, damals, als sie ihn kennenlernte. Und wahrscheinlich stimmt es auch: Roy Black, das sagte er selbst oft, wäre lieber ehrlicher Rock ’n’ Roller geworden als ein lächelnder Schnulzensänger. Das Heile-Welt-Schwiegersohn-Saubermann-Image hat ihn genervt. Aber er kam niemals von davon los.
Roy Black: Ins Seichte gewechselt
Es war sein erster Produzent, Hans Bertram, der Roy Black 1963 geraten hatte, vom Harten zum Seichten zu wechseln, gewissermaßen vom Beat zum Sweet. Während die Rolling Stones mit hartem Sound die Welt begeisterten, verkaufte sich wenig später Roy Blacks gefühliges „Ganz in Weiß“ 2,5 Millionen Mal. Der Augsburger schoss direkt in den Schlagerhimmel, er drehte in der Folge heitere Filmchen und war einer der großen deutschen Stars dieser Jahre.
1974 heiratete der Sänger das Fotomodell Silke Vagts. Doch längst waren Wolken aufgezogen. Der Fiskus soll hinter ihm her gewesen sein, Black trat aus der Kirche aus, um Steuern zu sparen. Sein letzter großer musikalischer Erfolg lag mit dem Schlager „Schön ist es auf der Welt zu sein“ Jahre zurück.
Susann Meyer lacht. Das Lied mit der Norwegerin Anita Hegerland, das übrigens dieser Tage als Heavy-Metal-Version neu aufgelegt werden soll, ist ihr Schlüsselerlebnis. Sie lebte damals mit ihren Eltern in Benndorf, einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt, grenznah, sie konnte Westsender empfangen. Plötzlich hörte sie Roy und Anita. Es war der Einstieg. Seitdem verfolgte Susann Meyer die Karriere von Roy Black.
Zunächst waren es nur die Lieder, die sie begeisterten, im Laufe der Zeit wurde es der Mann, über den Meyer bis zur Wende nur in der Zeitung las. Über sein Alkoholproblem, seine Krise, als ihn kaum einer mehr hören wollte, über seine zwei schweren Operationen wegen eines angeborenen Herzklappenfehlers. Das alles erlebte Susann Meyer aus der Ferne mit – aber es tat ihrer Begeisterung keinen Abbruch. Bis heute hat sie all ihre gesammelten Werke in dem Fremdenzimmer im ersten Stock ihres Hauses aufbewahrt. An den Wänden hängen große Fotos des Sängers. Meyer hat alle seine 400 Lieder, alle TV-Serien, alle Filme archiviert. Dazwischen Roy-Black-Schokolade, ein Keyboard, bedruckte Kopfkissen und jede Menge Starnippes. Der Raum wirkt wie ein kleines Privatmuseum.
Das muss Susann Meyer jetzt, kurz vor dem 20. Todestag, gewissermaßen plündern. Denn wenn sich am Samstag und Sonntag die Roy-Black-Fans in Bobingen in der Singoldhalle treffen, will sie ihnen eine Ausstellung über den Star bieten. Da wird sie dann einige „Überraschungen“ zeigen, sagt sie, ein Bild aus alten Zeiten etwa, als Roy Black noch als Gerd Höllerich in Straßberg die Grundschule besuchte. Über 120 Gäste haben zugesagt.
Bereits seit Wochen kommt die Beamtin kaum zur Ruhe – die Vorbereitungen für die Jubiläumsveranstaltung sind zeitintensiv. „Ich hänge meist bis nach Mitternacht am Telefon.“ Dauernd meldet sich jemand. Auch Sat.1 und der Bayerische Rundfunk haben schon vorbeigeschaut. Kein Wunder, wer was über Roy Black wissen will, landet praktisch automatisch bei ihr.
Susann Meyer kannte Roy Black persönlich
Susann Meyer kannte Roy Black noch persönlich. „Das erste Treffen war Zufall“, erzählt sie. Im Frühjahr 1991 lief ihr der Sänger in der Dortmunder Innenstadt plötzlich über den Weg. Dass sie und ihre Freunde gerade heimfahren wollten, das vergaß Susann Meyer, sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. Doch zunächst gab es eine Enttäuschung. Als sie ihn mit Roy Black ansprach, da wandte sich der Sänger um und antwortete mürrisch: „Ich habe jetzt Feierabend.“
Die junge Frau gab nicht auf und versuchte es noch einmal mit der Anrede „Gerd Höllerich“. „Das war ein Geistesblitz von mir.“ Roy Black blieb stehen. Sie kamen ins Gespräch: „Das hat über zwei Stunden gedauert.“ Am Ende gab sie ihm ihre Telefonnummer. Und tatsächlich meldete sich Black „völlig überraschend“ wieder. Seitdem tauschte Susann Meyer sich mit ihrem Helden privat aus. „Für mich war das das Größte“, sagt sie heute.
Und bis heute widmet die alleinstehende Frau mit der modischen Hornbrille ihr Leben ihrem großen Idol – obwohl sie das selbst so deutlich niemals formulieren würde. Vor Kurzem, nachdem ihre Eltern, die Susann Meyer bis zuletzt gepflegt hat, gestorben sind, ist sie in Roy Blacks Heimatort gezogen. Nicht von Nürnberg aus, wo sie nach der Wende beruflich und zufällig gelandet war, zurück zu ihren Wurzeln, zurück in ihre alte Heimat.
„Sauwohl“ fühle sie sich hier in Bayern, erzählt Meyer mit heller, junger Stimme. Sie habe das Gefühl, sie sei angekommen. Ihre Spaziergänge führen immer am Friedhof vorbei, wo Roy Black begraben ist. Oft geht sie abends hin, allein, um bei sich zu sein. Wahrscheinlich auch, um bei ihm zu sein. Der Friedhof ist kaum mehr als hundert Meter von ihrem Haus entfernt, in das sie erst im Mai gezogen ist.
Obwohl das Familiengrab der Höllerichs nicht auffällig gestaltet ist, sticht es an diesem Nachmittag sofort in die Augen. Fans, die bereits zu den Gedenkveranstaltungen angereist sind, haben ein Sträußchen weiße Rosen auf Roy Blacks Grab gelegt. Andere ein Blumenbukett in Form eines Herzens. „Wenn ich hier bin, ist es, als wäre ich auch am Grab meiner Eltern“, sagt Susann Meyer.
Ein leichter Windstoß fährt ihr durch die Haare. Sie liest die Schleifen, die an die Blumen geheftet sind, sie kennt die Leute. Auf einem Blatt Papier mit Fotocollagen des Stars steht ein Satz, der oft unter Todesanzeigen steht. Und der für Susann Meyer eine ganz besondere Bedeutung hat: „Roy – in unserem Herzen lebst du weiter.“
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