Wacklige Wiedergeburt von Guns N' Roses
Auf der Revival-Tournee sind die wiedervereinten Rock-Helden von Guns N' Roses in Deutschland gelandet. Die Zuschauer in München hatten am Ende doch noch wirklich Grund zu feiern.
Nein, es geht nicht gut los. Und das liegt nicht an den Verzögerungen am Einlass oder daran, dass die wiedervereinten Stars dieses Dienstagabends schon um 20.15 Uhr auf die Bühne im ausverkauften Münchner Olympiastadion schlurfen, sodass nicht wenige der 67.500 Zuschauer, die hierfür schon mal 140 Euro berappt haben, da noch gar nicht auf ihren Plätzen sind.
Denn Letzteres bedeutet ja, dass Axl, Dizzy, Duff und Slash, dass die Guns N‘ Roses, diese Helden der späten 80er und frühen 90er, ganze zweidreiviertel Stunden lang ihre einstmalige Größe auferstehen lassen werden. Slash, der noch immer unter Zylinder und schwarzem Lockenwischmopp aussieht wie damals, wenn auch längst ohne Whiskey-Flasche, Duff, drahtig gealtert, wohl auf dem Weg dazu, mal auszusehen wie Iggy Pop, der unverändert eher unscheinbare Indianer Dizzy und Axl, bei dem die Altersähnlichkeit wohl eher auf Meat Loaf hinauslaufen könnte.
Aber mal abwarten: Als Ersatz-Sänger bei AC/DC hat er ja auch ziemlich Respektables am Mikrofon geleistet – und da saß er ja auch noch mit gebrochenem Bein im Rollstuhl.
Es ist jedenfalls alles angerichtet, der Abend ist trocken und lau, die Stimmung erwartungsfroh, schließlich geht es für viele hier um womöglich die erste, ziemlich sicher aber die letzte Begegnung mit Helden ihrer Jugend, die sich vor jetzt 20 Jahren getrennt, die aber vor genau einem Jahr eben eine Revival-Tournee gestartet haben.
Die Rockermatten im Publikum mögen zwar auch schon deutlich weniger geworden sein, dafür werden Unmengen von Tätowierungen auf nicht mehr ganz jugendlicher Haut zur Schau getragen, vor allem aber Fan-Shirts mit dem legendär gewordenen Logo der Band in einer Masse, die sonst höchstens noch bei Iron Maiden zu sehen ist. Und jenes Logo wird dann auch in dreidimensionaler Looney-Tunes-Version auf den drei Videowänden albern verspielt animiert, bevor eine Stimme ertönt und den Einmarsch der Helden ankündigt (das alte Quartett ergänzt durch ein Trio, mit dem Axl zwischenzeitlich den Namen Guns N‘ Roses irgendwie am Leben hielt, aber dazu später mehr).
Guns N' Roses in München: Sound wirkt in weiten Teilen des Stadions diffus
Jetzt schlurfen sie also und stimmen „It’s So Easy“ an und dann „Mr. Brownstone“, zwei Songs aus dem Album „Appetite for Destruction“, das mit acht Titeln den Großteil des Abends ausmachen wird und das als Debüt 1987 gleich einen kometenhaften Aufstieg einläutete – ähnlich bedeutend war später nur noch das Doppel-Album „Use Your Illusion“, von dem hier ebenfalls acht Songs kommen werden. Im Gegensatz zu „Chinese Democracy“, das nach dem Eröffnungsdoppel folgt, dem Titeltrack des Albums, mit dem Axl nach der Trennung und langer Stille 2008 ohne Slash und Duff die Band wiederzubeleben versucht hat: erste Duftmarken von Meilensteinen.
Schön. Bloß: Der Auftritt ist so mechanisch und der Sound ist in weiten Teilen des Stadions so diffus, dass man eher den Eindruck hat, sie würden als ihre eigene Vorgruppe auftreten. Und zumindest Letzteres bleibt tatsächlich bis zur Hälfte des Konzerts so. Natürlich kommt erstmals Fahrt ins Publikum, als die Herren gleich darauf „Welcome to the Jungle“ servieren, weil der Brei von da draußen in den Köpfen, die das ja eh auswendig kennen, leicht ins Original zu übertragen ist – aber tatsächlich finden Gitarren und Stimme hier so wenig klanglich zueinander, dass es schon bitter ist. Die Wiederbelebung wackelt.
Und hauptsächlich ist man geneigt, mit Axl zu leiden. Denn während Duff am Bass und Slash mit Gitarrenpartner Richard Fortus in aller Abgezocktheit an ihren Instrumenten posen, ist dem Sänger die Arbeit, die er verrichtet, um der Stimme wenn auch nicht das schmutzig Schillernde von einst, aber immerhin die möglichst originale Farbe zu geben, deutlich anzusehen. Ab „Estranged“ wird es langsam besser, und Axl jedenfalls, der zerrupfte Pfau, der sich in sieben verschiedenen Outfits präsentiert, bis hin zur Fransenlederjacke, mit Hüten, aber natürlich auch dem obligatorischen roten Stirnband, ist so zufrieden, dass er sich für seine Darbietung direkt vor dem Publikum verneigt. Jedenfalls geraten die bald folgenden Hits „You Could Be Mine“, „Civil War“ und „Yesterdays“ klanglich schon hörbarer. Der Pegel steigt.
Doch noch eine gelungene Wiederauferstehung für Fans von Guns N' Roses in München
Richtig gut wird’s aber erst ab dem vielleicht feinsten Moment des Abends. Da setzt Slash an zu einem seiner vielen, langen Solos, dessen beringte Griffe auch stets auf den Großbildleinwänden zu verfolgen sind. Er spielt eine kleine, schöne Liebesmelodie aus dem Film „Der Pate“ und treibt mit dieser dann sein Spiel, bis er schließlich in den Anfang von „Sweet Child O‘ Mine“ mündet. Stark!
Auch das eine von den sieben Covers, die Guns N‘ Roses an diesem Abend bieten (darunter „Black Hole Sun“ zu Ehren des verblichenen Chris Cornell und „The Seeker“ von The Who), das eine, das wiederum nur von Gitarre kommt, von Slash im Duett mit Richard Fortus, reicht an diese virtuose Schönheit nicht heran, weil die beiden Pink Floyds „Whish You Where Here“ eben nur schlicht und hübsch nachspielen.
Und wiederum danach geht es schon auf die Zielgerade, mit den Gassenhauern „November Rain“ und ihrer Version von Dylans „Knockin‘ on Heaven’s Door“, das sie hinten raus aber so strecken, dass es völlig auseinanderfliegt. Am Sound liegt es da nicht mehr, der ist inzwischen gut, so gut sogar, dass man die frommen Wünsche für Axl fast schon wieder bereuen will, weil ihm die Anstrengung in der Stimme dadurch überdeutlich anzuhören ist.
Im Vergleich: Slash, inzwischen 51, ist sonst ja gerne mit dem Sänger Myles Kennedy unterwegs – und wenn der etwa „Paradise City“ singt, strotzt da vor Kraft. Aber Axl, 55, ist tapfer und singt den Klassiker zum Abschluss natürlich auch, nachdem er dazwischen auch noch „Nightrain“ und auch „Don’t Cry“ durchgestanden hat – und die Fans, freilich längst von so viel sehr ordentlicher Vorlage zur Wiedererkenntnis euphorisiert, feiern ihre Helden.
Worte an die Masse gab’s keine außer dem üblichen Bla natürlich von Axl, nur hin und wieder ein kleines, final auch nur ein bisschen größeres Feuerwerk, sodass der grandioseste Special-Effect des Abends Melissa Reese bleibt. Die nämlich sieht vor allem auf den Videowänden im Bühnenfarblicht und im Kontrast zu den Herren auf der Bühne (bisher unerwähnt: der muskulöse Frank Ferrer an den Drums) aus wie ein verirrtes Mangamädchen – spielt aber als erste Frau in der Bandgeschichte Keyboard und stützt Axl außerdem ordentlich mit Background Vocals.
Ob das alles für einen ganz großen Abend gereicht hat? Eher nicht. Aber eine gelungene, einmalige Wiederauferstehung für die Fans ist es dann auch in München noch geworden. Und Axl hat den größeren Teil der Tour geschafft, ein halbes Jahr steht noch aus. Gute Reise.
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