Zug entgleist in Alpen: Reisende entgehen knapp einer Katastrophe
Wer die Bilder sieht, denkt an das Schlimmste. Doch dieses Zugunglück in den Schweizer Alpen ging glimpflicher aus, als die Aufnahmen befürchten lassen. Wenn auch nur um Haaresbreite.
Ein Schutzengel saß offenbar in diesem Zug. Darin waren sich die geschockten Passagiere und die erschöpften Rettungskräfte einig. Ein paar Kilo Geröll mehr, ein paar Bäume am Steilhang weniger - und die Schweiz hätte wohl ein weitaus schwereres Zugunglücke zu verzeichnen. Elf Verletzte - das ist schlimm genug. Doch es gleicht einem Wunder, dass es nicht mehr Verletzte oder sogar tote gab.
Als der Zug nach dem Ort Tiefencastel einen der vielen Tunnel der Bündner Alpen verlässt sind mehr als 140 Menschen an Bord der Rhätischen Bahn. Es ist eine der schönsten Schienenstrecken der Welt, vorbei an der Albulaschlucht nach St. Moritz. Hier entlang fährt der berühmte Bernina-Express mit seinen Panorama-Fenstern. Touristen aus aller Welt nehmen auch gerne einen der preiswerteren normalen Personenzüge der Rhätischen Bahn, so einen wie diesen.
Dann passiert es: "Ein furchtbares Rumpeln und Schürfen", schildert später ein Reisender. Ein Erdrutsch. Der erste Wagen hinter der Lokomotive wird, kurz bevor der Zug wieder einen der schmalen dunklen Tunnel erreicht, aus den Schienen gedrückt. Gleich daneben ist ein Steilhang. Tief unten die Schinsschlucht mit dem, nach langen Regenfällen, reißenden Albula-Fluss.
Erinnerungen an Zugunglück im April 2010
Aufgrund der vielen Kurven fahren die leuchtend roten Züge der Rhätischen Bahn, die in diesem Jahr ihren 125. Geburtstag feiert, ohnehin nur recht langsam. Und glücklicherweise ist der Erdrutsch nicht so schwer wie jener, der im April 2010 im benachbarten Südtirol einen Regionalzug zwischen Mals und Meran von den Schienen riss. Neun Menschen wurden dabei getötet, 28 verletzt.
Dieser kleinere Erdrutsch in Graubünden ist aber auch gefährlich. Drei Waggons werden aus dem Gleisbett gehoben. Der erste wird - so berichtet später ein Fahrgast - um bis zu 20 Meter in Richtung Abhang geschoben. "Aber dann blieb er an den hohen Bäumen hängen."
Gerettete Fahrgäste: "Glück im Unglück"
Das Alpenland Schweiz ist für Notfälle in den Bergen gut gerüstet. Schon bald sind Rettungshubschrauber und Feuerwehren am Einsatzort. Alle Verletzten werden gerettet. Das Zugpersonal - gut geschult für den Katastrophenfall - sorgt dafür, dass sich die anderen Fahrgäste so geordnet es geht in den hinteren Teil des Zuges begeben, immer weiter weg von der Absturzstelle.
Schließlich erreichen sie den Tunnel. Dahinter stehen Busse, die sie nach Tiefencastel bringen. Manche sind verstört, immer noch fassungslos. "Glück im Unglück", das sind die Worte dieses Tages. "Wir hatten verdammtes Glück im Unglück", berichten Reisende ihren Freunden und Angehörigen am Handy.
Das gilt auch für die Verletzten. Keiner von ihnen schwebe in Lebensgefahr, meldet am Abend die Kantonspolizei. Die Strecke bei Tiefencastel werde mindestens für drei Tage gesperrt bleiben, teilt die Bahngesellschaft mit. (dpa/AZ)
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