Hollande-Regierung: Gegangen, um zu bleiben
Wegen eines Streits um den Sparkurs von Staatschef François Hollande tritt die Regierung zurück. Der alte Premierminister Manuel Valls wird aber auch der neue sein.
Wer rebelliert, der fliegt: Nach dieser unmissverständlichen Devise hat Frankreichs Premierminister Manuel Valls gestern den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Als Reaktion auf die provokante Kritik von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und Bildungsminister Benoît Hamon an der Sparpolitik und dem unternehmerfreundlichen Kurs der Regierung will er heute sein neues Kabinett vorstellen, dem diese beiden Parteilinken voraussichtlich nicht mehr angehören.
Hollandes letzte Chance
Valls selbst bleibt offensichtlich an der Regierungsspitze. Der Elysée-Palast legte Wert darauf, zu betonen, die Entscheidung sei im „absoluten Konsens“ zwischen ihm und Präsident François Hollande gefallen. Die Kommentatoren sprachen trotzdem von der Regierung als einem „schwankenden Schiff“, dessen Kapitän die Meuterer an Bord einfach nicht in den Griff bekomme. Die Umbildung sei Hollandes letzte Chance, seine Präsidentschaft noch zu retten, schreibt die Zeitung Le Monde. Nur fünf Monate war Valls’ Kabinett im Amt, das als Lektion aus der schmerzhaften Niederlage der Sozialisten bei den Kommunalwahlen im März neu gebildet worden war.
Montebourg war dabei vom beigeordneten „Minister für produktiven Wiederaufbau“ zum Wirtschaftsminister befördert worden. Ziel war, die Parteilinken einzubinden und ihn zugleich zu disziplinieren. Auf seine Redefreiheit bestand er aber weiterhin und widersprach mitunter offen der Regierungslinie. „Die zwanghafte Defizit-Reduzierung ist ein ökonomischer Wahnwitz, denn sie verstärkt die Arbeitslosigkeit; eine finanzielle Absurdität, denn sie macht die Sanierung des Haushalts unmöglich; und eine schädliche Politik, denn sie treibt die Europäer in die Arme extremistischer Parteien“, hatte Montebourg in einem Interview erklärt.
Steuersenkungen und mehr Investitionen in Frankreich
Neben Steuersenkungen und mehr Investitionen in Frankreich forderte er auf europäischer Ebene eine stärkere Rolle der Europäischen Zentralbank, um das Risiko einer Deflation abzuwenden, eine „alternative Führung“ von Paris gegenüber Berlin und einen organisierten Widerstand gegen die deutsche Dominanz: „Frankreich ist ein freies Land, das sich nicht an die Obsessionen der deutschen Rechtskonservativen anpassen muss.“ Diese Kritik an einer „absurden Sparpolitik“, die die Menschen leiden lasse und die Demokratie in Europa in Gefahr bringe, wiederholte er Montagnachmittag.
Bildungsminister Hamon, der sein Amt erst seit Ende März bekleidet, hatte ebenfalls in einem Interview einen Wechsel in der Wirtschaftspolitik, Steuersenkungen und einen langsameren Rhythmus der Haushaltssanierung gefordert. Einen Widerspruch zur offiziellen Linie Frankreichs wollte er darin allerdings nicht sehen.
Valls, der bei seinem Antritt als Premierminister ein Ende der disziplinlosen Vielstimmigkeit gefordert hatte, empfing im Laufe des gestrigen Tages alle bisherigen Kabinettsmitglieder. Er befragte sie nach ihrer Position zur Wirtschaftspolitik. Die Antworten werden wohl ausschlaggebend für eine neuerliche Berufung sein.
Wirtschaftskrise in Frankreich
Während Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Front National eine Auflösung der Nationalversammlung und die extreme Linke gar Neuwahlen forderte, erklärte der Generalsekretär der bürgerlich-konservativen Partei UMP, Luc Chatel, die Regierungskrise enthülle die „Lähmung der Linken an der Macht, die unfähig ist, der wirtschaftlichen Notlage zu begegnen“.
Der Präsident hatte zu Jahresbeginn einen „sozialdemokratischen“ Kurs angekündigt, um die Wirtschaftskrise zu beenden. Damit brachte er aber seine Sozialisten an den Rand einer Zerreißprobe. Der linke Flügel steht nicht hinter der Politik der Regierung, die mit einer Verringerung der Abgabenlast für die Unternehmen die Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätzen schaffen möchte. Auch wehren sich viele Parteilinke gegen die Einsparung von 50 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren.
Bereits im Sommer 2013 hatte die damalige Umweltministerin Delphine Batho gehen müssen, weil sie Kürzungen in ihrem Ressort kritisierte. Im März verließen die beiden Grünen-Minister die Regierung, weil sie mit dem Kurs nicht mehr einverstanden waren.
Doch als neue Wirtschaftsdaten vor wenigen Tagen zeigten, dass Frankreichs Wirtschaft in diesem Jahr geringer wachse als erhofft, stellte Valls klar, dass eine Änderung des eingeschlagenen Kurses nicht in Frage komme.
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