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Roland Wessling im Porträt
01.07.2011

Auf den Spuren des Grauens

Wieder werden die Überreste von Opfern des Massenmordes in Srebrenica zu Grabe getragen. Jedes Jahr im Juli passiert das, wenn Wissenschaftler wie Roland Wessling ihre Arbeit getan haben und Knochen identifizieren konnten. Dieses Foto entstand im Juli 2010. Zwei Frauen trauern über einem Sarg.
Foto: Fehim Demir, dpa

Roland Wessling ist forensischer Archäologe. Das klingt wissenschaftlich-harmlos. Ist es aber nicht. Er hat die Massengräber von Srebrenica untersucht.

„At last!“ Zwei Worte nur und ein Ausrufezeichen. Endlich! Roland Wessling weiß sofort, worum es geht, als er am 26. Mai die Betreffzeile der E-Mail sieht. Sie ist kurz und beinhaltet doch so viel, große Freude ebenso wie unendliches Leid. An der Mail hängt noch ein Bild. Es zeigt eine alte, beschriebene Serviette. Sie stammt aus einem Lokal im englischen Bournemouth, in dem sich 2006 Wessling mit drei Kollegen aus Kanada, Polen und Australien traf. Sie alle hatten das Grauen gesehen, als sie vor den Massengräbern von Srebrenica standen. Auf der Serviette haben sie dann eine Wette niedergeschrieben: Wann wird derjenige gefasst, der das angerichtet hat? Derek, der Kanadier, hat das Stück Papier all die Jahre bei sich getragen und nun herumgeschickt. Der Gewinner der Wette steht fest. Auf der Serviette steht: „Roland, 22nd May, 2011.“

Trotzdem war Roland Wessling überrascht, als Ende Mai die Bilder von der Verhaftung des serbischen Generals Ratko Mladic um die Welt gingen. Ein magerer alter Mann. Wessling hatte ihn als pausbäckigen Militär mit Armeemütze in Erinnerung, der vor fast 20 Jahren im bosnischen Srebrenica eiskalt über Menschenleben verhandelte. „Er genoss es, die Angst in den Augen der Leute zu sehen.“

Im Reisepass sind Stempel von Ruanda, Guatemala und dem Irak

Wessling hat Mladic nie gegenübergestanden. Der 40-Jährige hat das alles auf Bildern gesehen, die damals kurz vor dem Massaker von einem serbischen Filmteam aufgenommen und später in der BBC-Dokumentation „A cry from the grave“ gezeigt wurden. „Bei der Dokumentation habe ich noch heute einen Kloß im Hals“, sagt Wessling, der in seinem Leben schon viele schreckliche Dinge gesehen hat. Mehr, als viele andere verkraften könnten.

Seit 1999 reist der Mann aus Bad Münder unweit von Hannover als forensischer Archäologe um die Welt, den Massenmorden hinterher. Die Stempel in seinem Reisepass zeugen von einer schrecklichen Spur: Ruanda, Irak, Kolumbien, Guatemala, Bosnien. In all diesen Ländern hat er zusammen mit Anthropologen und Pathologen in Massengräbern gestanden. Sie mussten im Auftrag der Vereinten Nationen buchstäblich über Leichen gehen, um Gräueltaten zu rekonstruieren, um den Opfern eine Identität zurückzugeben und um die Täter zu überführen. Immer wieder ertragen sie Temperaturen von über 40 Grad im Schatten und den stechenden Geruch des Todes, den sie nach Feierabend nur schwer wieder loswerden. Sie müssen während der Arbeit von schwer bewaffneten Männern bewacht werden und riskieren dennoch, dass Scharfschützen in den Hängen lauern. Ihre Motivation ist vielfältig. Wessling sagt, dass es den meisten darum geht, den Toten Gerechtigkeit zu verschaffen und den Angehörigen Gewissheit. Viele suchen zudem die wissenschaftliche Herausforderung und manche auch den Adrenalinkick.

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Dieser Tage bekommen sie einen Lohn, der sich auf keinem Konto der Welt niederschlägt: Die Beweise, die Wessling und Kollegen vor über zehn Jahren in Srebrenica gesammelt haben, werden nun gegen Ratko Mladic verwendet. Der General, dem das Massaker an 8000 Muslimen zur Last gelegt wird. Der im Bosnien-Krieg für so viel Leid gesorgt hat und der nach gut 15 Jahren gefasst wurde. „Endlich“, wie Wessling und seine Kollegen sagen und sich gegenseitig zumailen.

Beweise für Prozess vor dem Kriegsverbrechertribunal

Am Montag geht der Prozess gegen den serbischen General vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag weiter. Wessling geht davon aus, dass Mladic verurteilt wird. Es gebe viele Beweise, die auch schon dessen Stellvertreter, General Radislav Krstic, der Beihilfe zum Völkermord überführten. Wesslings Chef sagte damals vor dem Kriegsverbrechertribunal aus und widerlegte die Behauptung des serbischen Militärs, dass sich in den Gräbern Soldaten befanden. „Die Leute trugen keine Uniform, sie waren zum Teil behindert, ihnen waren die Augen verbunden oder die Hände auf dem Rücken zusammengebunden worden“, erinnert sich Wessling. So sieht keine Armee aus. Das waren Zivilisten. Väter, Söhne, Brüder. Wessling und seine Kollegen haben ihnen ihre Identität wieder gegeben.

Doch bis heute sind noch nicht alle Gräber und Opfer gefunden. Wessling vermutet, dass das noch Jahre dauern wird. Die Täter hatten versucht, die Spuren zu verwischen. „Nachts kamen sie mit dem Bagger angefahren und hoben die Massengräber aus, um die Leichenteile 80 Kilometer weit mit dem Lastwagen durch das Land zu fahren und auf kleinere Gräber zu verteilen.“

Gräber, Völkermord, Leichenteile – wenn der Niedersachse von seiner Arbeit erzählt, dann benutzt er Worte, die die meisten Menschen kaum verwenden oder nur in den Nachrichten vorgelesen bekommen. Für ihn ist das beruflicher Alltag. Manchmal fallen ihm auch erst die englischen Begriffe ein. Englisch sprechen die Forensiker in den Massengräbern. Und in dieser Sprache lehrt Wessling auch an der britischen Universität von Cranfield. Er ist ein behutsamer Erzähler, er schmückt seine Sätze nicht detailreich aus und dramatisiert nicht, sondern bleibt nüchtern und neutral. Dennoch vertragen manche Menschen seine Erzählungen nicht. Einmal wäre er fast mit einem Kollegen aus einem italienischen Restaurant geflogen, weil sich die Gäste am Nebentisch über das Gesprächsthema der beiden beschwert hatten. Doch das Erzählen unter Kollegen ist wichtig. Es hilft hinterher beim Verarbeiten.

Bei der Arbeit, sagt Wessling, gebe es zwei Philosophien. Die amerikanische Variante, sich intensiv mit den Opfern auseinanderzusetzen. Eine andere – und an die hält er sich – setze auf bewusste Verdrängung. „Wenn ich im Grab stehe, dann sehe ich Objekte vor mir.“ Er denkt nicht darüber nach, wer die Personen waren und welche Geschichte sie hatten. Er sieht nur Körper und Knochen. Das soll nicht respektlos klingen, sagt er, doch anders sei die Arbeit nicht auszuhalten. Das weiß Wessling aus Erfahrung. Als er gerade neu in Bosnien war, arbeitete er unter der Woche mit Knochen in der Pathologie. Am Wochenende fuhr er in ein Dorf, um die Kleider der Toten auszulegen, die dann von Angehörigen identifiziert werden sollten. Ein junger Mann aus Deutschland war angereist, dessen Geschichte Wessling für die Vereinten Nationen auf Englisch übersetzen musste und die er bis heute nicht vergessen kann. Als 16-Jähriger wurde der junge Mann gemeinsam mit seinem Vater, seinem Bruder und dem Onkel in Srebrenica von den Mladic-Truppen abtransportiert. Sie mussten sich an einem Massengrab aufstellen. Dann schossen die Soldaten. Seine Verwandten starben sofort, der Junge überlebte schwer verletzt und verharrte stundenlang unter dem toten Körper seines Vaters. In der Dunkelheit kroch er davon und wurde von einem serbischen Bauern gefunden. Der Mann pflegte den verletzten Bosnier gesund und riskierte dabei sein Leben.

Diese mutige Tat des Bauern trägt bis heute dazu bei, dass Wessling bei all dem Grauen, das er sieht, noch an das Gute im Menschen glaubt. Doch die Geschichte des jungen Bosniers hatte seine Arbeit nach dem Wochenende auch erschwert. Plötzlich lagen vor ihm am Montag nicht mehr nur Knochen. Plötzlich kannte er die Geschichte der Toten. „In dieser Zeit hatte ich Albträume“, sagt er. Er hat keine Probleme damit, mit Toten zu arbeiten. Und auch nicht mit Angehörigen. Doch nie wieder gleichzeitig.

Mit Humor gegen den Wahnsinn

Es gibt noch eine Methode, die Dinge nicht so nah an sich heranzulassen. „Die schärfste Waffe gegen den Wahnsinn ist der Humor“, erinnert sich Wessling an die Worte seines Professors. Wenn sie im Grab stehend Witze machen, ist dieser Selbstschutz für Außenstehende nur schwer zu verstehen. „Als ob wir keinen Respekt vor den Toten hätten“, sagt Wessling und ergänzt im Hinblick auf seine Arbeit: „Wenn nicht wir, wer dann? Wir sind die Ersten, die überhaupt zeigen, dass wir Respekt haben.“

In diesem Zusammenhang ist auch die Wette zu verstehen, die vor fünf Jahren abgeschlossen wurde. Sie hieß also: Wann wird Mladic gefasst? Derek tippte auf den 31. Juli 2006, Piotr auf den 11. August 2008, Ambika auf „never“ – nie. Und Roland Wessling auf den 22. Mai 2011. Einfach so. Zufall. Er kam dem wirklichen Datum am nächsten: 26. Mai 2011. Die vier Kollegen sind inzwischen in alle Winde verstreut. Sie wollen sich bald wieder treffen und den Wetteinsatz nutzen, um die Verhaftung Mladic’ zu feiern. Dass er endlich gefasst wurde. Und vielleicht können sie, at last, auch schon auf seine Verurteilung anstoßen.

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