NSA späht 27-jährigen Studenten aus Erlangen aus
Der US-Geheimdienst NSA überwacht einen Erlanger Informatiker, weil er sich für Anonymisierung im Netz engagiert. Der Student ist bestürzt über den Eingriff in seine Privatsphäre.
Sebastian Hahn aus Erlangen ist ins Visier der NSA geraten. Der Informatik-Student beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Verschlüsselungstechnologie und hilft über ein Anonymisierungsnetzwerk anderen dabei, ihre Daten im Internet zu verschleiern. Damit ist der 27-Jährige nach Kanzlerin Angela Merkel das zweite namentlich bekannte Ausspähopfer des amerikanischen Geheimdienstes.
NDR-Journalisten teilten Sebastian Hahn mit, dass die NSA ihn überwacht
Dass er von der NSA überwacht werde, habe er von zwei Journalisten des NDR erfahren, schrieb Hahn unserer Zeitung gestern in einer E-Mail. Den Sendern NDR und WDR war es anhand eines geheimen Quellcodes, auf dem das NSA-Spähprogramm XKeyscore basiert, gelungen, den 27-Jährigen als ein Opfer von Überwachung zu identifizieren.
Der Erlanger zog die Aufmerksamkeit der NSA auf sich, da er in einem Rechenzentrum in Nürnberg einen Server – einen leistungsstarken, zentralen Computer – des Anonymisierungsnetzwerks Tor betreibt. Insbesondere Menschenrechtler in Ländern wie dem Iran sind auf dieses Programm angewiesen, um ihr Leben zu schützen. Berichten zufolge hat die NSA auf diese Weise herausfinden wollen, wer das von Hahn bereitgestellte Anonymisierungsnetzwerk benutzt. Dies seien täglich Hunderttausende gewesen.
Ihre Daten landeten nach Angaben von NDR und WDR in einer speziellen NSA-Datenbank. Der Server des Studenten nimmt im Netzwerk eine Schlüsselrolle ein, denn auf dem Computer wird eine Liste der anderen Tor-Server verwaltet. Wer Hahns Server überwacht, weiß also, welche Rechner sich in das Anonymisierungsnetzwerk einwählen. Deshalb sei sein Server auch eines der „lohnenswertesten Ziele“, wie der Student auf einer Seite im Internet mitteilt.
Sebastian Hahn ist empört: „Das ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre“
Der 27-Jährige findet die Ausspähung empörend. „Das ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre“, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Im Internet schreibt er: „Ich bin schockiert darüber, wie einfach Unschuldige in den Fokus der Überwachung geraten können und mit welcher Selbstverständlichkeit die Geheimdienste vorgehen.“
Völlig überrascht ist er allerdings nicht. Seit den Enthüllungen von Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden sei es abzusehen gewesen, dass sich Geheimdienste für Anonymisierungsnetzwerke interessierten. „Dass es so weit gehen könnte, die Server der Betreiber verdachtsunabhängig zu überwachen, ist eine Qualität, mit der man nicht unbedingt rechnen konnte.“ Von seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für Tor lässt sich der Student trotzdem nicht abbringen: „Nur durch aktives Handeln lässt sich unsere Demokratie langfristig verteidigen, Demokratie braucht Privatsphäre und Sicherheit in der Kommunikation.“
Neben Hahns IP-Adresse fand sich in dem Quellcode auch die der Hackervereinigung Chaos Computer Club. Ob die Ausspähungen von deutschem Boden aus erfolgten, kann den Berichten zufolge aus dem Quellcode nicht herausgelesen werden. (mit dpa, afp)
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