Tochter für Zwangsehe in Türkei verschleppt: Eltern droht Haft
Eine junge Frau wurde 2011 von ihrer Familie in die Türkei verschleppt, wo sie gegen ihren Willen verheiratet wurde. Vor Gericht lehnen Eltern und Onkel eine Verständigung ab.
Knapp sieben Jahre nachdem sie ihre Tochter zum Heiraten in die Türkei verschleppt haben sollen, stehen die Eltern und ein Onkel wegen Geiselnahme vor Gericht. 2011 soll der Onkel die damals 22-Jährige in Stuttgart abgepasst, ihr einen Eiskaffee mit Schlafmittel gegeben, und im Auto nach Ostanatolien verschleppt haben. Als sie aufwachte, befand sich das Auto laut Anklage schon in Bulgarien. Neben ihr saß ihr Vater. Die Frau wurde in der Türkei im Haus ihrer Großmutter festgehalten und später gegen ihren Willen verheiratet.
Die Angeklagten lehnen den Lebensstil der Tochter ab
Der Prozess startete am Montag mit etlichen Unterbrechungen. Die Eltern und auch der Onkel lehnten einen Verständigungsvorschlag des Gerichts ab. Mit diesem wären sie bei einem Geständnis jeweils mit Bewährungsstrafen davongekommen. Insbesondere die Verabreichung eines Schlafmittels bei der Verschleppung 2011 Richtung Türkei könne nicht eingestanden werden, sagte einer der Anwälte.
Hintergrund der Tat soll sein, dass die Familie den neuen Freund und den westlichen Lebenswandel der jungen Frau strikt ablehnten. 2011, die Tochter war gerade 22 Jahre alt, eskalierte der Streit. "Ich wollte meinen Weg gehen", sagte die heute 28-Jährige am Montag. Laut Anklage droht die Familie, ihr "sämtliche Knochen zu brechen". Die heute 28-Jährige erinnerte sich: "Ich hatte Angst." Sie floh nach Essen und fand in einem Frauenhaus in Stuttgart Unterschlupf.
Familie lässt Tochter in der Türkei verheiraten
Im Mai 2011 holte ihr Onkel sie an ihrer Arbeitsstätte - einem Kebap-Grill in der Stuttgarter Innenstadt - unter dem Vorwand ab, er habe etwas zu besprechen. Auf einem Parkplatz reichte er ihr einen Eiskaffee, in den er zuvor Schlaf- und Betäubungsmittel gerührt hatte. "Alles um mich wurde plötzlich schwer", erinnerte sie sich. Als die 22-Jährige aufwachte, befindet sich das Auto laut Anklage schon irgendwo kurz vor der türkischen Grenze. Rechts neben ihr saß ihr Vater.
Um ohne Gegenwehr über die nächste Grenze zu kommen, erzählten Onkel und Vater der jungen Frau, ihr Bruder liege in der Türkei im Sterben. Nach 3500 Kilometern und sechs Staatsgrenzen in Bingöl tief in Ostanatolien angekommen, nahm die Familie ihr die Papiere ab. Sie musste im Haus ihrer Oma bleiben. Man habe für sie einen Ehemann ausgesucht, den sie nach türkischem Brauch heiraten solle, wurde ihr eröffnet. Ende 2011 wurde die junge Frau verheiratet - gegen ihren Willen, wie sie am Montag berichtete.
Im Januar 2013 gelingt ihr über Izmir die Flucht nach Hannover. Auch die jeweils 52 Jahre alten Eltern und der 45 Jahre alte Onkel leben wieder Deutschland. Vater und Mutter im hessischen Friedberg (Wetteraukreis), der Onkel in Frankfurt. Die heute 28-Jährige lebe an einem gesicherten Ort, der nicht genannt wurde. Eltern und Onkel sind nicht in Haft, nichtsdestotrotz droht ihnen jetzt aber eine Haftstrafe. (dpa/lsw)
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