Wer wird der neue Wowereit?
Drei Kandidaten, aber kein Favorit. Wer Berlin künftig regiert, entscheiden 17000 SPD-Mitglieder.
Vielleicht hätten sie ihn schon früher fragen sollen. Als Jan Stöß, einer der drei Kandidaten für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, vor sechs Jahren seine Promotionsurkunde entgegennahm, hatten die Bauarbeiten am neuen Berliner Flughafen noch gar nicht begonnen. Umso skurriler ist es aus heutiger Sicht, mit welchem Thema sich der junge Verwaltungsjurist damals um einen Doktortitel bewarb: „Großprojekte der Stadtentwicklung in der Krise“.
Sollte Stöß neuer Hausherr im Roten Rathaus werden, wird er diese Expertise gut gebrauchen können. Ohne fertigen Flughafen, heißt es in der Berliner SPD, könne die Partei die Wahlen im Herbst 2016 abschreiben. Zu sehr hat Wowereit das Projekt zu seiner ganz persönlichen Sache gemacht, zu hämisch sind die Kommentare, die sich viele Genossen deswegen noch immer anhören müssen. Mit „Wowi“ als Bürgermeister, lautet einer von ihnen, wären die Berliner nach dem Krieg verhungert, weil er keine Luftbrücke hätte organisieren können.
Vorzeigemanager bei Burger King
Wer Wowereit im Dezember beerbt, klären die 17000 Berliner Sozialdemokraten jetzt per Mitgliederentscheid. Vor dem ersten Aufeinandertreffen der drei Bewerber bei einer Konferenz der Jungsozialisten am Freitag hat sich dabei allerdings noch kein Favorit herausgeschält. Der 41-jährige Stöß hatte beim letzten Parteitag zwar keinen Gegenkandidaten, erhielt als Landesvorsitzender aber trotzdem nur 69 Prozent der Stimmen. Der 49-jährige Michael Müller, Senator für Stadtentwicklung, ist der Kandidat mit der größten Erfahrung, hat aber für viele den Makel, einer der engsten Vertrauten von Wowereit zu sein. Fraktionschef Raed Saleh schließlich, mit 37 Jahren der jüngste der drei Kandidaten, vermarktet den Anhängern seiner beiden Konkurrenten seine palästinensische Herkunft und seinen Aufstieg aus einem Problemkiez zum Vorzeigemanager bei Burger King etwas zu offensiv. Wer Berlin regieren wolle, sticheln sie, müsse mehr bieten als einen Migrationshintergrund.
Obwohl alle drei von Wowereits Rücktrittsankündigung kalt erwischt wurden, ist die Sehnsucht nach einem politischen Neuanfang groß. Mehr als 150 Mitglieder sind seitdem in die Berliner SPD eingetreten, in den Umfragen hat die Partei drei Prozentpunkte zugelegt und Stöß den Mitgliedern nicht nur mehr Investitionen versprochen, sondern auch „mehr SPD“. Während Müller und Saleh sich in der Großen Koalition gut eingerichtet haben, ist er der Mann der Parteilinken. Einer, der kein Problem damit hätte, sich an die Spitze eines rot-rot-grünen Senats wählen zu lassen.
Bewerber haben ähnliche Ziele
Gute Bildung, mehr Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit: In ihren Positionen unterscheiden sich die Bewerber nur unwesentlich, was auch daran liegt, dass keiner der drei so genau weiß, wie die berühmte Basis eigentlich tickt. Die Mehrheit der Funktionäre fühlt sich zwar wie Stöß dem linken Flügel zugehörig, gut drei Viertel der eingeschriebenen Mitglieder aber besuchen keine Veranstaltungen ihrer Ortsvereine und engagieren sich auch sonst nicht größer in der SPD. Sie sind die großen Unbekannten im Berliner Machtpoker – die Bürgermeistermacher.
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