Wo syrische Akademiker Vokabeln pauken
Deutsche Sprache, schwere Sprache? Die Volkshochschule Donauwörth bietet ein bayernweit einmaliges Pilotprojekt für besonders begabte Flüchtlinge
Alali Meziar ist 27 Jahre alt, studierter Jurist und Flüchtling aus Syrien. In seiner Heimat hat er als Rechtsanwalt gearbeitet. In Deutschland bringt ihm das nicht viel, denn die Gesetze sind verschieden. Der junge Jurist muss also noch einmal von vorne anfangen.
Zusammen mit sechs anderen Männern aus Syrien und Afghanistan – alle im Alter zwischen Ende 20 und Anfang 30 – lernt er in der Volkshochschule Donauwörth die Deutsche Sprache – um dann noch einmal Jura zu studieren. Der Kurs, den die Asylbewerber besuchen, ist einmalig in Bayern. Es ist die erste Hochbegabten-Klasse für Flüchtlinge. Weil einige Schüler in den bestehenden VHS-Deutsch-Kursen unterfordert waren, wollte man ein Angebot für besonders Begabte und Flüchtlinge mit hohem Bildungsgrad schaffen. Ideengebend war der Asylkreis Donauwörth.
Mit 200 Unterrichtsstunden fast zur mittleren Reife
In lediglich 200 Unterrichtsstunden gilt es nun, an 80 Tagen ein Deutsch-Niveau von B1 zu erreichen, das beinahe einem Realschulabschluss entspricht, um den Deutschtest für Zuwanderer zu bestehen. „Der Kurs wird in sehr schnellem Tempo durchgeführt und soll zu Kenntnissen führen, die einen direkten Einstieg in den Arbeitsmarkt gewährleisten“, berichtet VHS-Geschäftsführerin Gudrun Reißer.
Finanziert wird das Projekt durch die Zeitarbeitsfirma AvJS aus Bäumenheim. 700 Euro steuert die Firma pro Teilnehmer bei, die später bei einer Anstellung von den Teilnehmern ohne Zinsen und ohne Zeitbegrenzung zurückzuzahlen sind. Kommen die Flüchtlinge bei AvJS unter, entfällt die Rückzahlung. Auch die Prüfungsgebühren in Höhe von 90 Euro übernimmt das Unternehmen. „Sollte sich wieder eine Firma für die Finanzierung finden, ist ein zweiter Kurs dieser Art denkbar“, so Gudrun Reißer.
Nicht alle Schüler halten durch
Nicht alle konnten das Tempo mithalten. Der Kurs war im September mit 13 Schülern gestartet. Übrig sind heute noch sieben. Zwar ist nicht jeder aufgrund der erhöhten Anforderungen ausgeschieden, manche sind auch einfach umgezogen oder haben bereits eine Vollzeit-Arbeitsstelle gefunden, doch „der Kurs richtet sich schon explizit an Flüchtlinge mit akademischem Hintergrund“, erklärt Olga Geppert. Sie unterrichtet „Deutsch als Fremdsprache“ bei der VHS in Donauwörth. „Meine Schüler in diesem Kurs haben alle studiert, ein hohes Bildungsniveau und erste Erfahrungen mit der Deutschen Sprache. Ihr entscheidender Vorteil ist auch, dass sie es gewohnt sind zu lernen.“
Leicht fällt es den Schülern oftmals dennoch nicht. „Deutsch ist viel schwieriger als Englisch“, räumt Abd Aijan ein. Seit einem Jahr ist der 28-Jährige in Deutschland. Zuvor arbeitete er als Ingenieur in Syrien. Er hofft nun, dass seine Dokumente anerkannt werden und er auch in Deutschland wieder als Ingenieur arbeiten darf. Noch schwieriger als Deutsch sei nur die Arabische Sprache, ergänzt Jurist Alali Meziar. Er kennt mittlerweile die Tücken des Deutschen: „Der Satzbau in Nebensätzen macht Probleme. Denn plötzlich steht da das Verb am Ende.“ Sein Klassenkamerad Abdullah Awad wirft ein: „Die verschiedenen Artikel sind auch schwierig. Im Englischen gibt es nur einen ‚The’.“
Aufregung vor dem Deutschtest
Diese Gedanken zeigen: Die Schüler setzen sich intensiv mit der Sprache auseinander. Nur der Deutschtest macht manchen Sorgen. „Ich bin schon ein bisschen aufgeregt“, räumt Abd Aijan ein. Abdullah Awad gibt sich zuversichtlich: „Ich habe keine Angst, denn ich lerne auch zuhause viel.“ Der Deutschtest für Zuwanderer besteht aus einem schriftlichen Teil, der die Kategorien Hören, Lesen und Schreiben umfasst, und einen mündlichen Teil. Hierbei stellen sich die Prüflinge zunächst vor, halten dann ein Kurzreferat und müssen zuletzt im Dialog ihre Sprachkompetenz nachweisen.
Lehrerin Olga Geppert zeigt sich im Hinblick auf die Prüfung zuversichtlich: „Sie sind sehr motiviert.“ Kein Wunder, bei so einer „schönen und netten Lehrerin“, ruft Alali. „Streng aber großartig“, findet auch Abdullah. „Schleimer!“, ruft jemand dazwischen. Die Klasse lacht und Frau Geppert ist ein wenig rot geworden.
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