Ein Zwilling allein im Spiel
Lars Bender - oder die wunderbare Geschichte einer gelungenen Dreifachpremiere.
Die Geschichte von Lars Bender dürfte auch am Ende der EM noch eine der außergewöhnlichsten sein, die diese Europameisterschaft geschrieben hat. Lars und Sven, die beiden Zwillingsbrüder aus Rosenheim, rutschen am Ende der Bundesliga-Saison in Joachim Löws vorläufigen EM-Kader. Obwohl der eine, Lars, in Leverkusen spielt und der andere, Sven, in Dortmund, gelten die beiden als unzertrennlich. Der Bundestrainer aber bringt sie auseinander.
Weil beide in ihren Vereinen eine ähnliche Rolle spielen, die des laufstarken defensiven Mittelfeldspielers, hatte sich Löw für einen von beiden zu entscheiden. Seine Wahl fiel auf Lars. Damit war der 23-Jährige im EM-Aufgebot aber noch immer weit von einem Einsatz entfernt. Doch Lars, der früher mit seinem Bruder zusammen für 1860 München spielte, überzeugte im Training und verdiente sich in den beiden ersten Partien Kurzeinsätze.
Als Jérôme Boateng für das Dänemark-Spiel wegen einer Gelbsperre ausfiel, brachte der Bundestrainer Bender und Höwedes ins Gespräch. Keiner ein gelernter Außenverteidiger, Bender noch weniger als Schalkes Höwedes. Trotzdem fiel Löws Wahl auf den Leverkusener. Es war dessen erstes Spiel als Außenverteidiger, sein erstes Länderspiel von Beginn an – und er schloss es mit seinem ersten Treffer in der Nationalelf ab. Beim bedrohlichen 1:1-Zwischenstand war er in der 80. Minute von ganz hinten die Außenlinie nach vorn gesprintet und hatte einen Konter mit dem Tor zum 2:1 abgeschlossen. „Ich hab’ den Raum gesehen, bin losgelaufen und hab’ gehofft, dass die Kraft reicht“, beschreibt er seinen Premieren-Auftritt als Torschütze.
Wer sein Spiel kennt, weiß, dass dahinter ein wenig Koketterie steckt. Wenn überhaupt noch jemand in einem Spiel die Kraft zu einem 80-Meter-Sprint hat, dann Bender. Früher sprach man Spielertypen wie ihm eine Pferdelunge zu. Der 23-Jährige ist aber auch ein geschickter Balleroberer, der zudem brauchbare Flanken schlägt.
Wie er spielt, so tritt er auf. Als geerdeter Oberbayer, der öffentlich ungekünstelt Hochdeutsch spricht („damit ihr mi a vastengds“). Bender ist in der Lage, klare Gedanken zu fassen und sie ebenso strukturiert vorzutragen. Nach dem Spiel hat ihm Bruder Sven von zu Hause aus gratuliert. Lars: „Wir haben jeden Tag Kontakt. Er freut sich für mich.“ Gut möglich allerdings, dass die Freude vor dem Viertelfinale gegen Griechenland am Freitag schon wieder einer kleinen Enttäuschung weichen muss. Boateng, „der ja auch zwei gute Spiele gemacht hat“ (Löw), könnte auf seinen Posten zurückkehren.
Bender würde das sportlich nehmen: „Für mich war wichtig, dem Trainer zu zeigen, dass er auf mich setzen kann, wenn er mich braucht.“ In einem Punkt allerdings trat der Leverkusener sehr bestimmt auf. Er will Mittelfeldspieler bleiben, „da lass’ ich nichts aufkommen“. Nicht auszuschließen, dass Löw auch hier noch einen Platz für ihn findet.
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