Gefahr von rechts
Die Ultra-Bewegung wird seit den Protesten gegen das Sicherheitskonzept verstärkt wahrgenommen. Fanforscher Pilz warnt vor rechtsextremen Tendenzen, die immer deutlicher zu beobachten sind
Nürnberg Mit Sicherheit im deutschen Fußball lassen sich Abende füllen. Auch nach der Verabschiedung des Konzepts „Sicheres Stadionerlebnis“. Mitte Dezember hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL), umgeben von Fanprotesten, ihren Maßnahmenkatalog durchgedrückt. Seitdem bemüht sie sich, die Debatte zu entschärfen. DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig will den Dialog mit Fans richtig in Gang bringen, wie er bei einer Podiumsdiskussion in Nürnberg unterstreicht.
Im Sog der Rettigs und Rauballs sind Fanorganisationen und deren Vertreter gegenwärtiger geworden. Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fan-Projekte, ist einer von ihnen. Jahrelang hätten die Bundesliga-Klubs das Potenzial ihrer Kurven nicht erkannt, meint er, hätten sich von ihren Fans entfernt. Mit mehr Geld für Sozialarbeit will er Ausschreitungen und Gewalt entgegenwirken. „Vereine und Fans müssen ein Bündnis schmieden“, bekräftigt Gabriel. Im Blickpunkt: die Ultras, die sich gerne über den Rest des Stadionrunds erheben.
Weil der tief verwurzelte Fankern bestens organisiert ist, ist sein Einfluss gestiegen. Die Proteste rund um das Sicherheitspapier nutzten sie als öffentliche Plattform. Am eindrucksvollsten, indem sie in der Aktion „12:12“ mehrere Spieltage zwölf Minuten und zwölf Sekunden vom Anpfiff weg verstummten. Dabei schienen die Hardcore-Fans als Einheit aufzutreten. Ein Schein, der trügt. Ultra-Gruppen sind verfeindet – teils auch vereinsintern.
Hoheitskämpfe im Fanblock
Sig Zelt ist Mitglied von „ProFans“, hat als Anhänger Union Berlins Höhen und Tiefen miterlebt. Anfang der 90er Jahre blieb er dem Stadion fern, Hooligans, deren Gewalt und Rechtsextremismus hielten ihn ab. Bei Problemfeldern der Fanszene denkt Zelt nicht an Pyro oder Platzstürme, er denkt an Gewalt zwischen Ultras und Hoheitskämpfe im Fanblock – oft mit politischem Hintergrund. „Rechtsextreme Positionen sind in solchen Gruppen auf dem Vormarsch“, sagt er.
Im Sommer 2010 spaltete sich die Ultraszene von Alemannia Aachen – in links und rechts. Während sich die „Aachen Ultras“ klar gegen Neonazis positionierten, sympathisierte die „Karlsbande“ mit ihnen. Im November überfielen 50 „Karlsbande“-Mitglieder ein Auto mit „Aachen Ultras“, im Dezember stellten diese nach erneuten Angriffen und wegen mangelnder Unterstützung des Vereins die Gruppenaktivität ein. Nun vermeldeten die „Ultras Düsseldorf“, sich nach zwölf Jahren zurückzuziehen. Massive Drohungen und gewalttätige Angriffe rechter Hooligans gingen voraus.
Rechtes Gedankengut fällt auf fruchtbaren Boden. Habitus und äußere Erscheinung ähneln dem Ultra-Stil, bei Homosexualität eint sie ihre Abneigung. In Italien sorgte jüngst der Fall Boateng für Aufsehen. Der Milan-Spieler hatte nach rassistischen Äußerungen den Platz verlassen. In Deutschland wird Rechtsextremismus nicht mehr offen praktiziert, seit die Bundesligisten Anfang der 90er Jahre anfingen, ihn zu bekämpfen. Ausnahme war ein Transparent im August in Dortmunds Kurve, auf dem sich Teile der Ultras mit dem „Nationalen Widerstand Dorstfeld“ solidarisierten.
Rechtsextreme untergraben die Hierarchien
Fanforscher Prof. Gunter A. Pilz erklärt, dass rechtsextreme Gruppen im Stadion nicht auffallen wollten, weil sie sonst Einfluss verlieren würden. Stattdessen untergraben sie Hierarchien in den Fanblöcken, drohen mit Gewalt, flößen Angst ein.
1860 München hat Rechtsanwälte eingeschaltet, um zu klären, ob Stadionverbote ausgesprochen werden könnten. Ohne Erfolg. „Man muss diese Tendenzen sehr ernst nehmen“, sagt Pilz.
Dem jüngsten Treffen der DFL mit Fangruppen blieb das antifaschistische „Bündnis Aktiver Fußball-Fans“ fern. Sie wollten nicht mit rechtsorientierten Vertretern von „12:12“ am Tisch sitzen, heißt es aus Fankreisen. Pilz will das Totschlagargument „Fußball ist unpolitisch“ nicht länger gelten lassen. Die Gesellschaft sei gefordert, Zivilcourage müsse gestärkt werden, Sozialarbeit über das Stadion hinausgehen. Viele Vereine würden das Problem verdrängen, meint Pilz und fügt hinzu: „Rechtsradikale müssen aus dem Block gedrängt werden, damit sie nicht meinungsbildend wirken können.“
Die Basis haben Deutscher Fußball-Bund und DFL längst gelegt. Im „Sicheren Stadionerlebnis“ haben sie unter anderem verankert, dass Fans sich gegen Rassismus, politischen Extremismus und jede Form der Diskriminierung bekennen müssen.
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