Zurück in die Heimat?
Mehr als Erinnerungen an alte Erfolge des TSV 1860 bleiben den Löwen-Fans nicht. Sie träumen vom Grünwalder Stadion. Die Gegenwart aber heißt Abstiegskampf.
Regen prasselt auf den weiß-blauen Schirm von Manfred Reigel. Dass seine blauen Turnschuhe durchnässt sind, ist dem Löwen-Fan egal. Der 60-Jährige steht in diesen Tagen fast täglich am Trainingsgelände an der Grünwalder Straße. Sauwetter hin oder her. Er will miterleben, wie sich seine Mannschaft auf das entscheidende Spiel in Karlsruhe vorbereitet. Als Kapitän Daniel Adlung den Ball ins Tor schießt, sagt Reigel mit einem Lachen: „Das ist einer, der uns am Sonntag retten könnte.“
Tätowiert, Dreitagebart, abrasierte Haare. Der Hoffnungsträger im Abstiegskampf heißt Adlung. Ein Kämpfer und Leitwolf, der diese Fähigkeiten zwar in sich trägt, aber zu selten abruft. Bei vielen Fans ist er deshalb schon öfter in Ungnade gefallen. Viele der treuen Löwen-Anhänger haben das Vertrauen in ihre Spieler längst verloren. Oft fällt unter den Zuschauern neben dem Trainingsplatz das Wort „Söldnertruppe“.
Dennoch hat die Mannschaft von Trainer Torsten Fröhling in den vergangenen Wochen begriffen, um was es geht. Zehn Punkte aus den letzten fünf Spielen. Die Löwen haben den Klassenerhalt wieder in der eigenen Hand. Allerdings wartet mit dem Karlsruher SC, der noch um den Aufstieg in die Bundesliga kämpft, die wohl schwierigste Aufgabe aller Abstiegskandidaten. Hinzu kommt: Der TSV 1860 ist in der Saison 1980/1981 schon einmal in Karlsruhe abgestiegen. Mit 2:7 verabschiedeten sich die Löwen damals aus der Bundesliga.
Den "Löwen" droht der Abstieg in die dritte Liga
Am Sonntag (15.30 Uhr) droht sogar der Abstieg in die Drittklassigkeit. Immerhin haben die Löwen dafür vom Deutschen Fußball-Bund die Zulassung erhalten. Allerdings gegen Auflagen, die eine finanzielle Absicherung von 5,6 Millionen Euro beinhalten. Diese Summe könnte Investor Hasan Ismaik beisteuern. Wie es aus Vereinskreisen heißt, würde er die Löwen im Abstiegsfall nicht fallen lassen. Ein Horrorszenario wie dem SSV Ulm 2001 droht den Löwen nicht: Damals wurde den Ulmern nach dem Abstieg aus der 2. Liga die Lizenz verweigert. Es folgte der Absturz in die fünftklassige Verbandsliga.
In welchem Stadion die Löwen in der kommenden Saison spielen, ist hingegen noch unklar. Als wahrscheinlich gilt, dass sie nach einem Abstieg ins Grünwalder Stadion zurückkehren. Erst vor zwei Jahren hat die Stadt München das Stadion drittligatauglich ausgebaut. Selbst bei einem Verbleib in der 2. Bundesliga wäre eine Rückkehr auf Giesings Höhen möglich. Wie die Stadt München mitteilte, müssten aber einige Umbaumaßnahmen vorgenommen werden. Außerdem müsste der bis 2025 laufende Arena-Mietvertrag mit dem FC Bayern vorzeitig gekündigt werden. Das Olympiastadion käme als Spielstätte nicht mehr infrage. Die Gespräche zwischen Stadt und Verein beschränken sich auf das Grünwalder Stadion, teilte ein Sprecher der Stadt mit.
„Hauptsache, raus aus der Arena“
Am Stammtisch in der Kultgaststätte „Löwenstüberl“ lautet der Tenor: „Hauptsache, raus aus der Arena.“ Wer einen Blick in die Fanseele werfen will, ist im Löwenstüberl richtig. In dem alten Bungalow ist Christl Estermann seit 1994 die Chefin. Bereits am Morgen ist der Gastraum voll. Auch wenn keiner das Wort Abstieg aussprechen will, gibt es kein anderes Thema. Wirtin Christl hat Angst vor Sonntag. Auf ihrer schwarzen Bluse trägt sie einen blauen Button mit der Aufschrift: „drinbleiben – 2. Liga ohne Löwen geht nicht“.
In mehr als 20 Jahren an der Grünwalder Straße hat sie 16 Trainer erlebt. Ihr Liebling: Werner Lorant. Der Kulttrainer hat an ihrem Stammtisch seinen geliebten Espresso getrunken. Auch seine Spieler kamen regelmäßig ins Löwenstüberl: Bernhard Winkler und Thomas Häßler aßen zwischen den Trainingseinheiten oft zu Mittag. Meist Schinkennudeln, sagt Christl.
An den Wänden hängen Bilder aus der Lorant-Zeit. Ein Foto von aktuellen Spielern und Funktionären sucht man vergeblich. „Von denen identifiziert sich keiner mit unserem Verein“, erklärt Christl. Sportdirektor Gerhard Poschner ist seit etwa einem Jahr im Amt und hat noch keinmal das „Löwenstüberl“ betreten. Sehr zum Ärger der 71-Jährigen. Sie schüttelt mit dem Kopf und sagt: „Wenn der Wildmoser noch leben würde.“
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