Tyler Kelleher: Der kleine Riese
Mit einer Körpergröße von 168 Zentimetern wirkt der Angreifer Tyler Kelleher geradezu schmächtig. Wie der 23-jährige US-Boy seinen körperlichen Nachteil wettmacht und was ihn an den Panther-Fans fasziniert
Tyler, wenn Sie mit Leuten ins Gespräch kommen, die Sie nicht kennen und ihnen sagen, dass Ihr Beruf Eishockey-Profi ist: Auf welche Reaktionen treffen Sie bei Ihren Gesprächspartnern?
Kelleher: (lacht) Nun, die meisten Leute sagen erst einmal „Wow“ und fragen dann: „Bist du nicht ein bisschen klein für einen Eishockey-Spieler“? Aber das kann man ihnen nicht verübeln. Daran habe ich mich mittlerweile schon gewohnt.
Würden Sie grundsätzlich sagen, dass es im Eishockey-Sport einen Nachteil bedeutet, wenn man körperlich von kleinerer Statur ist?
Kelleher: Ich denke schon, dass das die Meinung der meisten Leute und dementsprechend vielleicht auch etwas dran ist. Wenn ich aber selbst auf dem Eis stehe, mache ich mir darüber überhaupt keinen Kopf. Vielmehr würde ich sogar behaupten, dass meine Spielweise letztlich meiner körperlichen Konstitution sogar zugutekommt. Ich bin beispielsweise sehr gut auf den Beinen, habe kürzere Radien und kann damit meinen größeren Gegenspielern besser ausweichen. Von dem her sehe ich diese Gegebenheit nicht unbedingt als Nachteil an.
Haben Sie dennoch den Eindruck, dass – sowohl im Nachwuchs- als auch Senioren-Bereich – die Erwartungshaltung der Trainer an kleinere Spieler höher als bei großen Akteuren ist?
Kelleher: (überlegt) Ich glaube schon, dass an dieser Frage beziehungsweise Aussage etwas dran ist. Man muss schon sagen, dass es im Eishockey-Sport – gerade im Spitzenbereich – nicht wirklich viele kleine Akteure gibt, da viele Coaches doch eher auf größere Spielertypen setzen. Mir persönlich gibt es jedenfalls ein sehr gutes Gefühl, dass ich – wie jetzt – ein Mitglied des Panther-Teams bin. Wäre das nicht der Fall, dann würde es bedeutet, dass ich schlichtweg nicht gut genug bin. Daher bin ich sehr glücklich.
Würden Sie dennoch behaupten, dass gerade der Weg in die NHL für einen kleineren Akteur schwierig ist als für einen Spieler mit „Gardemaß“?
Kelleher: Ich würde behaupten, dass es früher sogar noch schwieriger war, den Sprung in die beste Liga der Welt zu schaffen. Die Spielweise in der NHL hat sich in den zurückliegenden Jahren doch etwas verändert. Mittlerweile gibt es in der Tat immer mehr kleinere Akteure, da das Siel an sich deutlich schneller geworden ist. Ich kenne etliche solcher Jungs, die zuletzt ihre Chance bekommen und diese auch genutzt haben. Von dem her ist es also durchaus möglich, dass auch wir „Kleinen“ dort Fuß fassen.
Fakt ist, dass Sie Ihren körperlichen Nachteil anderweitig ausgleichen und sich Ihre eigenen „Waffen“ zulegen müssen. Sind schlittschuhläuferische und stocktechnische Fähigkeiten sowie ein hoher Eishockey-IQ dafür die wichtigsten Eigenschaften?
Kelleher: Oh ja, definitiv! Nehmen wir das Beispiel Hockey-IQ: Ich war eigentlich von Beginn an daran gewöhnt, mich gegen größere Mit- oder Gegenspieler durchsetzen zu müssen. Im Laufe der Zeit entwickelst du dabei einen gewissen Instinkt, sprich: Was du in bestimmten Situationen machst. Das hilft dir im weiteren Verlauf deiner Karriere sicherlich enorm.
Arbeiten Sie auch spezifisch und stetig an Ihren läuferischen und stocktechnischen Fähigkeiten?
Kelleher: Auf alle Fälle! Während einer Saison bleibt dir aufgrund der vielen Spiele und Trainingseinheiten zwar leider nicht ganz so viel Zeit, um individuell daran zu arbeiten. Aber gerade im Sommer sind das natürlich schon zwei Punkte, auf die ich meinen Hauptfokus lege. Mein Ziel ist es, mich ständig zu verbessern. Und da gehören solche Dinge schlichtweg dazu.
Wir haben zuvor das Thema NHL schon einmal angesprochen. Im vergangenen Jahr haben Sie auf Einladung der Nashville Predators unter anderem an einem Trainingscamp sowie „Rookie-Tournament“ teilgenommen. Was haben Sie dort am meisten gelernt?
Kelleher: Es war eine unglaubliche Erfahrung für mich! Als ich das erste Mal in die Umkleidekabine gekommen bin, saßen dort plötzlich Jungs wie PK Subban oder Roman Josi, die ich bis dahin nur vom Internet oder Fernsehen gekannt habe. Das war schon ziemlich verrückt. Erst nach zwei oder drei Tagen, als wir bei den Trainingseinheiten zusammen auf dem Eis gestanden haben, bin ich dann etwas relaxter geworden (lacht). Diese Stars zu beobachten und von ihnen zu lernen – unter anderem was es heißt, ein richtiger Profi mit allen Facetten zu sein – war schon sehr beeindruckend.
Für einen nordamerikanischen Profi ist es eher untypisch, bereits im Alter von 23 Jahren den Sprung nach Europa zu wagen! Warum war es in Ihren Augen die richtige Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt?
Kelleher: Nun, ich habe mir während der Sommerpause viele Gedanken gemacht und bin letztlich zu der Überzeugung gekommen, dass es für meine weitere Entwicklung – sowohl als Eishockey-Profi als auch für meine Persönlichkeit – der richtige Schritt ist. Ich habe im Vorfeld mehrfach mit Panther-Sportdirektor Larry Mitchell und Headcoach Doug Shedden telefoniert. Das, was sie mir berichtet haben, hat mich letztlich voll und ganz überzeugt. Bislang habe ich diese Entscheidung auch noch keine Sekunde bereut.
Im Vergleich zu Nordamerika ist die Eisfläche in Europa größer. Kommt Ihnen das entgegen?
Kelleher: Das kann man schon sagen, ja! Man hat hier auf dem Eis deutlich mehr Platz und dementsprechend auch Zeit, um offensiv etwas zu kreieren. Dass man folgerichtig auch mehr skaten muss, ist sicherlich kein Nachteil für mich (lacht).
Seit Deutschland die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2018 gewonnen hat, ist der Fokus der NHL-Scouts etwas mehr auf das deutsche Eishockey gerichtet als in den Jahrzehnten davor. Ist es auch Ihr Ziel, sich über den „Umweg DEL“ für NHL-Teams interessant zu machen?
Kelleher: Ich werde in der Tat oft gefragt, wie eigentlich mein Karriere-Plan aussieht! Meine ehrliche Antwort darauf lautet, dass ich einfach von Jahr zu Jahr mein Bestes geben und danach schauen möchte, was schließlich dabei herauskommt. Aber klar, mein großer Traum, eines Tages in der NHL zu spielen, ist nach wie vor im Hinterkopf. Diesbezüglich bin ich aber sicher keine Ausnahme (lacht).
Die Gegenwart heißt folgerichtig ERC Ingolstadt! Nach erfolgreichen Heimauftritten feiern die Panther-Fans in der Regel gemeinsam mit den Spielern noch Minuten nach der Schlusssirene den soeben errungenen Sieg! Kennen Sie so etwas aus Nordamerika?
Kelleher: Nein, überhaupt nicht! Bevor ich nach Ingolstadt gekommen bin, habe ich das einmal in einem Video gesehen. Aber „live“ ist das natürlich noch um einiges cooler. Es ist einfach unbeschreiblich, wie die Fans unser Team auch während den Spielen unterstützen. Ich hoffe, dass wir noch oft nach den Partien gemeinsam feiern können (lacht).
Nach 15 Partien liegen die Panther auf einem hervorragenden zweiten Platz. Wenn man auf den Kader blickt, sucht man einen „echten Superstar“ vergeblich. Ist diese Ausgeglichenheit bislang das große Plus?
Kelleher: Mit Sicherheit! Was ich bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Saison schon sagen kann: Wir haben absolut keine „Egos“ im Team! Jeder gönnt dem anderen den Erfolg. Natürlich ist auch ein gewisses Talent wichtig – aber die Team-Chemie steht letztlich über allem. Wir haben einfach unglaublich viel Spaß, gemeinsam auf dem Eis zu stehen und zu kämpfen. Ich habe schon in anderen Mannschaften gespielt, wo das Gegenteil der Fall war. Daher kann ich zurecht behaupten, dass der extreme Zusammenhalt hier beim ERC Ingolstadt unsere große Stärke ist. Die Fragen stellte Dirk Sing
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