Hitz: "Das waren die schlimmsten Minuten, seit ich Fußball spiele"
FCA-Torhüter Marwin Hitz knöpfte sich nach dem schnellen Rückstand gegen Gladbach seine Mitspieler vor. So erlebte er die schlimme erste Halbzeit mit vier Gegentreffern.
Das war selbst für einen Schweizer zu viel. Ein sehr sympathischer Wesenszug unserer südwestlichen Nachbarn ist eigentlich die Gelassenheit. Sie sind durch kaum etwas aus der Ruhe zu bringen. Marwin Hitz, von Berufs wegen Torhüter beim FC Augsburg, gehört zu dieser Spezies. Normalerweise.
Das kommt daher, dass an seinem Arbeitsplatz alles gut geordnet ist. Normalerweise. Die Defensive des Bundesligisten galt bisher als gefestigt. Fünf Gegentore in fünf Spielen waren ein starkes Indiz dafür. Bis zum Mittwoch. Nach 21 Minuten kochte Hitz am Donnerstag aber über. 4:0 führte zu diesem Zeitpunkt Borussia Mönchengladbach schon, ohne dass sich seine Mitspieler auch nur ansatzweise gewehrt hätten.
Plötzlich rannte Hitz aus seinem Strafraum heraus, rüttelte Jeong-Ho Hong, schüttelte Ragnar Klavan und schrie seinen ganzen Frust heraus, um seine Mitspieler aus dem Tiefschlaf zu reißen.
Fassungslosigkeit bei Marwin Hitz
„Das waren die schlimmsten Minuten, seit ich Fußball spiele“, erklärte der FCA-Torhüter hinterher immer noch fassungslos. „Ich wollte aufwecken. Ich habe heftig reagiert, aber ich habe in diesem Moment keine andere Möglichkeit mehr gesehen“, verteidigte der Schweizer Alpenvulkan später seinen Gefühlsausbruch, von dem er nach dem Schlusspfiff selbst erschrocken wirkte.
Teilweise ist ihm seine Mission auch gelungen. Nach zwei verwandelten Foulelfmetern von Paul Verheagh (52. und 75.) hieß es nach einer annehmbaren zweiten Halbzeit „nur“ noch 2:4. Aber auch nur, weil Marwin Hitz noch fast eine Handvoll bester Borussia-Chancen zunichtegemacht hatte.
Auf der Suche nach den Ursachen für den 20-minütigen Totalausfall wurde Hitz schnell bei den elementarsten Dingen des Fußballs fündig. „Wir haben keinen einzigen Zweikampf gewonnen. Wir haben nur jeden dritten Pass an den Mann gebracht und wie viele Sprints haben wir gemacht?“, fragte er mehr sich selbst. Auf der Suche nach dem Warum kam der Schweizer Nationaltorhüter nicht mehr so weit. „Es ist verdammt schwer, weil ich so etwas noch nie erlebt habe.“
Müdigkeit sei keine Entschuldigung
Dass es das vierte Pflichtspiel innerhalb von elf Tagen für den FC Augsburg war, wollte Hitz nicht als Entschuldigung gelten lassen. „Wir dürfen uns die Müdigkeit nicht einreden.“ Schwere Beine können nicht der Grund gewesen sein, denn in der zweiten Hälfte zeigte der FCA ja, wie man auch auftreten kann. Eher war es wohl ein mentaler Kurzschluss. Der Gedanke, das Spiel etwas lockerer angehen zu können, war fatal. Hitz fragt sich, woher diese Gedanken gekommen sind: „Es ist doch leicht zu verstehen, dass der FCA nur mit 90 Prozent Einsatz jedes Spiel verliert.“ Auf Sparmodus beginnend, wurde der FCA von den Gladbachern einfach überrannt.
Schon nach zwei Minuten musste Hitz das erste Mal Kopf und Kragen riskieren, am Ende hatten die Statistiker acht Paraden gezählt. Dass die Gladbacher nach dem überraschenden Trainerwechsel anders als die fünf Punktspiele zuvor auftreten würden, darauf waren Hitz und seine Kollegen durch Trainer Markus Weinzierl durchaus vorbereitet worden. „Wir wussten, dass Gladbach keine schlechte Mannschaft ist.“
Vor dem Spiel gegen Hoffenheim sieht Hitz auch Positives
Die Wucht, mit der die Gladbacher dann aus der Kabine kamen, überraschte ihn und seine Kollegen aber dann doch. Hitz: „Sie spielten, als wenn sie ein neues Leben bekommen hätten. Wenn man so eine Körpersprache an den Tag legt, ist das beeindruckend. Wir haben uns einschüchtern lassen. Aus dem, was wir zugelassen haben, haben sie es in 20 Minuten überragend gemacht.“
Aber Hitz hat vor dem Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen die TSG 1899 Hoffenheim trotz der kräftigen Ohrfeige auch Positives ausgemacht. Die Aufräumarbeiten zum Beispiel, die nach der Halbzeit eingesetzt hatten: „Da haben wir uns zusammengerauft, da haben wir nicht gegeneinander gespielt.“ Oder die vorausgegangene Halbzeitklausur: „Da gab keiner dem anderen die Schuld. Klar mussten die Fehler angesprochen werden, aber es ist keiner lauter geworden.“ Das hatte er ja schon nach zwanzig Minuten übernommen.
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