Der Nächste bitte
Pep Guardiola lässt die Bayern mit einem System spielen, was nicht jeder versteht. In Berlin gibt’s ein schmuckloses 1:0.
Es braucht schon zusätzliche Herausforderungen, um den in diesem Spätherbst als beste Mannschaft der Welt gefeierten FC Bayern wach zu halten. In Manchester demonstrierten die Münchner beeindruckend, wie sie in der Lage sind, einen Gegner von Klasse auch in Unterzahl zu beherrschen. Die skurrile 2:3-Niederlage war angesichts der schon gewonnenen Champions-League-Gruppe dann eine pure Randnotiz. Für das Liga-Gastspiel vier Tage später im überraschend winterlich temperierten Berlin hatte sich Trainer Pep Guardiola ein taktisches Experiment überlegt.
Entgegen der Lehrmeinung, dass einem defensiv eingestellten Gegner am besten mit breit angelegtem Spiel beizukommen ist, ließ der Spanier die Flügel gegen die Hertha unbesetzt. Arjen Robben und Franck Ribéry rückten also ins Zentrum zu Thomas Müller, Mario Götze und Robert Lewandowski. Nur der Pole, eigentlich die personifizierte Sturmmitte, setzte sich häufiger auf die (linke) Seite ab. Das erste Ziel war, „Überzahl zu erreichen“ (Guardiola). In der ersten Halbzeit habe die Mannschaft das „gut gemacht“, in der zweiten nicht mehr.
Guardiolas neue Variante diente aber auch dem Wunsch, das Münchner Weltklasse-Offensiv-Quintett komplett in der ersten Elf unterzubringen, ohne die defensive Stabilität zu gefährden. „Wir haben diese fünf Spieler. Wenn sie alle zusammen sein sollen, müssen wir das System anpassen.“ Arjen Robben staunte wohl ein wenig über seine ungewohnte Rolle, beteuerte nach seiner gelungenen Premiere auf der Zehner-Position aber: „Es hat Spaß gemacht, hinter Thomas und ‚Lewi‘ zu spielen.“ So breit wie der Niederländer strahlte nach dem schmucklosen 1:0 (1:0)-Sieg kein anderer Bayern-Profi. Was natürlich auch daran lag, dass ihm das einzige Tor gelungen war. Ein Doppelpass mit Thomas Müller schuf ein winziges Loch im dichten Berliner Abwehrgeflecht, das Robben mit einem wunderbaren Linksschuss nutzte (27.). Da aber war er wie sonst üblich mit Highspeed von rechts hereingekurvt. Über die Seite kam Robben dann auch über weite Strecken der zweiten Hälfte – nach einem Positionstausch mit Götze, den sich der Trainer selbstkritisch als misslungen ankreidete.
Hertha tut sich schwer, am Spiel teilzunehmen
Guardiola missfiel es sehr, wie es seine Mannschaft trotz 78 Prozent Ballbesitz im zweiten Abschnitt riskierte, den Sieg gegen einen überforderten Gegner noch liegen zu lassen. Die 1:0-Führung wurde nur noch verwaltet, Spielfreude und Torgefahr waren kaum mehr vorhanden. Doch selbst die Siegmaschine FC Bayern zeigt mitunter mal menschliche Züge. Die 70 Minuten Unterzahl in Manchester hatten manchen müden Münchner hinterlassen. Im Normalfall, also mit mehr Frische, hätte Lewandowksi das Resultat in den Schlussminuten wohl noch ausgebaut, doch nach zwei Kontern scheiterte er zweimal am aufmerksamen Ex-Münchner Thomas Kraft im Hertha-Tor (83., 89.).
Dazwischen lag die einzige ernsthafte Chance der im zweiten Abschnitt mutigeren Hertha, als John Antony Brooks den Ball über den Querbalken jagte und ein Stöhnen durchs volle Olympiastadion ging (86.). Mehr Gefahr ersparte dem FC Bayern vor allem eine riskante, aber mit einer Ausnahme – Valentin Stocker brach durch, schloss aber nicht ab (60.) – gut funktionierende Abseitsfalle. Zehnmal tappten die Berliner insgesamt hinein. Doch wie sehr der Vorsprung am seidenen Faden hing, zeigte der Freistoß-Knaller des eingewechselten Ronny, den Torwart Manuel Neuer fast zu weit abprallen ließ, bevor er zum zweiten Mal zupackte (71.). Zuvor war nur über die Höhe des Bayern-Sieges diskutiert worden, über die erste Spielhälfte seiner Hertha sagte Trainer Jos Luhukay treffend: „Wir haben uns schwergetan, am Spiel teilzunehmen.“ Da wollte er sich keine Enttäuschung über eine verpasste Überraschung einreden lassen.
Luhukay ist schon zufrieden, dass die Zeiten der Schießbude Hertha erst einmal der Vergangenheit angehören. Vor allem die Innenverteidigung mit Brooks und dem Ex-Nürnberger Jens Hegeler bewährte sich gegen den Branchenprimus. „Sie haben erst zum zweiten Mal zusammengespielt“, sagte Luhukay, „da darf ich nicht unzufrieden sein.“
Für den FC Bayern war Berlin wieder eine Reise wert, selbst wenn Hertha-Gewächs Jérôme Boateng – vor dem Anpfiff als Weltmeister geehrt – sich mit einer Platzwunde im Gesicht aus der Heimat verabschiedete. Am Ende dieser Saison würden die Münchner gerne noch zwei Mal wiederkommen: zum DFB-Pokal-Endspiel und zum Finale der Champions League acht Tage darauf.
Tor 0:1 Robben (27.) Zuschauer 76 197 (ausverkauft)
Die Diskussion ist geschlossen.