Atomausstieg bringt große Risiken für den Steuerzahler mit sich
Die Energiewende allein ist bereits teuer für die Bürger. Nun könnte auch die Entsorgung der strahlenden Altlasten neue finanzielle Lücken auftun.
Deutschlands Aufbruch zu neuen, grünen Energien kann jeder Bürger an seiner monatlichen Stromrechnung nachvollziehen. Allein die Förderung der erneuerbaren Energien kostet Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums zufolge dieses Jahr 29,2 Milliarden Euro. Jeden Haushalt belastet die Ökostrom-Umlage bereits im Schnitt mit 18,50 Euro monatlich. Bezieht man auch Wohnen und Verkehr ein, sind der Bundesregierung zufolge bis zur Jahrhundertmitte beeindruckende Investitionen von bis zu 550 Milliarden Euro für die deutsche Energiewende nötig. Bald kommt noch ein ganz anderes, unkalkulierbares Kostenrisiko hinzu: die Entsorgung der atomaren Altlasten und der Rückbau der Kernkraftwerke.
Als die Konzerne Eon und RWE kürzlich Halbjahreszahlen vorlegten, machten Eon-Chef Johannes Teyssen und RWE-Chef Peter Terium Druck, einen politischen Beschluss über die Finanzierung des Atomausstiegs zu treffen. Ein Gesetzentwurf dürfte bald die Politik in Berlin beschäftigen: Auf dem Tisch liegt der Vorschlag der Atomkommission aus dem Frühjahr, wonach die Konzerne einmalig 23,3 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds einzahlen. Im Gegenzug übernimmt künftig der Staat die Aufgabe der Zwischen- und Endlagerung des atomaren Abfalls. Dieser Deal ist ganz nach dem Geschmack der Energie-Lenker. Sie bereinigen ihre Bilanz und gewinnen Planungssicherheit. Der Steuerzahler aber könnte ein schlechtes Geschäft machen. Dies ist bisher nicht deutlich genug gemacht worden.
In der Branche bleibt kein Stein auf dem anderen
Denn es besteht die Gefahr, dass die Entsorgung teurer wird als geplant. Der Bau eines Endlagers für hoch radioaktiven Müll in Gorleben ist gestoppt, die Suche beginnt von Neuem. Einfach wird sie nicht. Wer will ein Endlager in seiner Region haben? Zudem warnen Fachleute, dass die Lagerkapazitäten für schwach strahlenden Müll nicht ausreichen. Das im Bau befindliche Endlager Konrad nahe Salzgitter steht in den nächsten Jahren noch nicht zur Verfügung. Als frühester Eröffnungstermin ist 2022 genannt worden. Nach dem Wassereinbruch im Endlager Asse werden außerdem große Mengen radioaktiver Abfälle zurückgeholt. Für alle künftigen Mehrkosten der Entsorgung haftet nach dem auf dem Tisch liegenden Modell aber bedauerlicherweise der Staat.
Dazu kommt als großes Risiko die Schwäche der Energiekonzerne. Sie sollen für den Rückbau der Kernkraftwerke zuständig bleiben. Doch Eon, RWE, Vattenfall und EnBW leiden selbst unter der Energiewende. Die Aktienkurse sind abgesackt, Eon schrieb im ersten Halbjahr erschreckende drei Milliarden Euro Verlust. Wie RWE sucht Eon seine Rettung in einem radikalen Schritt und spaltet sich auf. Ein Teil erhält die konventionellen Kraftwerke, der andere die grünen Energien. Geht diese Rechnung auf? In der Branche bleibt kein Stein auf dem anderen. Da ist es ungewiss, ob die Konzerne das Jahr 2099 erleben. So lange rechnet die Atomkommission in die Zukunft.
Die Politik muss deshalb in den nächsten Monaten genau überlegen, wie sie die Kosten verteilt. Sie darf die Energieunternehmen nicht ausbluten lassen. Denn diese müssen in der Lage sein, ihren Beitrag für den Atomausstieg, aber auch die Investitionen in die Energienetze der Zukunft und saubere Kraftwerke zu stemmen. Gleichzeitig dürfen die Konzerne aber nicht zu billig aus ihrer Verantwortung für die atomaren Altlasten entlassen werden. Abstriche müssen deshalb auch die Aktionäre machen. Schließlich trägt das Restrisiko des Atomausstiegs am Ende der Staat – und damit wir alle.
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