Neuer Bezahldienst: Das Handy als Geldbeutel
Ein neuer Bezahldienst des Internetriesen Google könnte bald das klassische Portemonnaie überflüssig machen. Doch noch gibt es Probleme und Zweifel an der Datensicherheit.
Parkmünzen suchen, für den Ticketkauf am Bahnschalter anstehen, mit Handschuhen die EC-Karte herausfingern: In Zukunft könnte all das überflüssig werden. Geht es nach dem Internetriesen Google, wird das Handy den Geldbeutel ersetzen. Ende September ist der Bezahldienst Google Wallet in den USA gestartet.
Wer den Dienst nutzen will, braucht dafür ein Mobiltelefon (Smartphone), das über die Funktechnologie NFC (Near Field Communication) verfügt. Ist die Kasse mit einem Lesegerät ausgestattet, werden die Daten per Funk übertragen. Das Handy kurz hinzuhalten genügt. Das Lesegerät fragt dann nach der Nummer der Kreditkarte, wie lang diese gültig ist – und der Funkchip überträgt die gewünschten Informationen. Abgerechnet wird über die mit dem Handy verbundene Kreditkarte. Noch funktioniert Google Wallet in den USA nur mit einem bestimmten Smartphone-Typ, erst in einem Netz und mit einer einzigen Kreditkarte, doch Google will den Dienst rasch ausweiten.
Der Wettlauf um das Bezahlen mit dem Mobiltelefon hat längst begonnen – auch in Deutschland. Mit dem „Mobile Payment“ (deutsch: mobiles Bezahlen), beschäftigt sich seit zehn Jahren eine Forschungsgruppe der Uni Augsburg. Wie Leiter Key Pousttchi sagt, hat Deutschland es 2005 verpasst, beim Handy- bezahlen in Führung zu gehen. Jetzt gehe es nur ums „mitschwimmen“.
Damals gab es einen bundesweiten runden Tisch, an dem Banken, Mobilfunkunternehmen und Wissenschaftler zusammenkamen. Doch „mangelnde Kooperationsbereitschaft“, sagt Pousttchi, verhinderte ein gemeinsames Konzept. Für ihn geht es dabei nicht nur darum, wer künftig am mobilen Bezahlen verdient, sondern um einen entscheidenden Grundsatz: „Wem gehört der Kunde?“
Google und die Nutzerdaten
Seine These: Wenn die Deutschen nicht schnell genug sind, werden amerikanische Unternehmen wie Google, PayPal oder Facebook das Milliarden-Geschäft unter sich ausmachen – inklusive des deutschen Markts und der dazugehörigen persönlichen Daten. Doch Michaela Roth, Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), sieht die Sparkassen nicht im Hintertreffen. Sie betont: „Wenn diese Entwicklung kommt, sind wir gerüstet.“ Die Frage sei allerdings, ob der Kunde überhaupt mit dem Handy bezahlen wolle und wie sicher die Technik sei. Daran zweifelt der Verband bei Google Wallet und lehnt das System ab. Im Hintergrund steht die Frage, wozu Google Nutzerdaten verwendet.
Die Sparkassen beschreiten unterdessen einen anderen Weg, um das Bezahlen zu vereinfachen. Die EC-Karte soll mit einem Funkchip ausgerüstet werden, der ein kontaktloses Bezahlen ermöglicht. Die Karte muss vor das Lesegerät gehalten und nicht hineingesteckt werden. Das geht schneller und sei daher für Einzelhändler interessant, sagt Roth. In Sportstätten wie der BayArena in Leverkusen oder in der Halle der Bundesliga-Handballer von Frisch Auf Göppingen habe man das bereits erfolgreich getestet.
Auch die deutschen Mobilfunkunternehmen, die an eigenen Systemen des Mobile Payment arbeiten, wollen daran mitverdienen. Martin Schurig von der O2-Mutter Telefónica sagt, ein Handy-Programm („App“) nach dem Vorbild von Google Wallet solle bereits im Laufe des kommenden Jahres auf den Markt kommen. Dazu gebe es auch Gespräche mit Banken.
System ist "nicht überzeugend"
Voraussetzung für das Handy als Geldbeutel-Ersatz ist nach den Worten von Schurig die NFC-Technologie, die erst jetzt Einzug in die Telefone halte. Eine andere Variante des bargeldlosen Zahlens mithilfe des Handys namens Mpass bieten Telekom, Vodafone und O2 bereits gemeinsam an. Damit kann über das Handy plus einer SMS als Bestätigung im Internet eingekauft werden. Schurig spricht bei Mpass von „erfreulichen Zuwachsraten“. Für Pousttchi ist das System „nicht überzeugend“. Die Innovationsfähigkeit der Banken und Mobilfunker bezeichnet er als mangelhaft.
Für den Wissenschaftler bietet das Mobile Payment Möglichkeiten, die über die normale Bezahlfunktion hinausgehen. Für den Kunden bestehe der Vorteil darin, dass er bei kleinsten Beträgen nachvollziehen könne, wofür er sein Geld ausgegeben hat. Der Händler, der nachvollziehen kann, was sein Kunde einkauft, ist in der Lage, passgenaue Angebote zu machen. Genau darum sieht Pousttchi es als sehr wichtig an, das deutsche Geschäft nicht Google & Co. zu überlassen. Schließlich seien persönliche Daten ein wertvolles Gut. Pousttchi sagt: „Wenn ich Händler wäre, würde ich mir genau überlegen, ob ich mit Google ins Bett springe.“
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