Verwirrung um eine deutsche Legende
Die deutsche Wirtschaft hat sich empört gezeigt: Doch Brüssel dementiert mutmaßliche Pläne, am Gütesiegel „Made in Germany“ rütteln zu wollen.
Brüssel/Augsburg Seit Jahrzehnten gilt es als eines der Heiligtümer der deutschen Industrie. Auch deswegen hat sich die hiesige Wirtschaft massiv empört über jenen mutmaßlichen Vorstoß der EU-Kommission. Angeblich wollte diese nach übereinstimmenden Medienberichten die Vergabe des Qualitätssiegels „Made in Germany“ künftig deutlich erschweren.
Demnach hat EU-Kommissar Algirdas Semeta gefordert, die Ursprungsbezeichnung nur noch an Erzeugnisse zu verleihen, die zu mindestens 45 Prozent ihres Wertanteils aus Deutschland stammen. Es entbrannte gestern in der Folge ein heftiger Streit um die Zukunft des bewährten Gütesiegels. „Wenn die Europäische Kommission diese Änderung des sogenannten Warenursprungsrechts tatsächlich plant, würde das einen immensen Schaden für die deutsche Wirtschaft sowie für die Verbraucher bedeuten, für die eine wichtige Orientierungshilfe verloren ginge“, sagte etwa Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
Kopfschütteln in Brüssel
In Brüssel herrschte angesichts des deutschen Vorpreschens am Montag indes Kopfschütteln. Schließlich ruderten die EU-Kommissare gänzlich zurück und bezeichneten Berichte über angebliche Einschränkungen bei der Verwendung des Labels „Made in Germany“ als Missverständnis. Nichts solle sich an dem Gütesiegel ändern, man habe weder eine Abschaffung noch eine Erschwernis im Sinn, hieß es offiziell auf Anfrage gegenüber unserer Zeitung. In der Diskussion würden bisweilen Regeln für importierte Waren aus Nicht-EU-Staaten und für in der EU hergestellte Waren vermengt.
Für den exportlastigen deutschen Wirtschaftssektor käme die Umsetzung derartiger Pläne einer Katastrophe gleich – beispielsweise für Autobauer, Maschinen- und Anlagenbauer oder Elektronikhersteller, die einzelne Bestandteile ihrer Güter häufig auch aus anderen Ländern liefern lassen. Daher sicherte auch die Politik der deutschen Wirtschaft im Ringen um den Erhalt des Siegels ihre Unterstützung zu. „Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung und wird ihre Meinung kraftvoll vertreten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
"Made in Germany"
Bislang gilt laut EU-Regeln das Land als Herkunftsland von Gütern, in dem „die letzte wesentliche, wirtschaftlich gerechtfertigte Be- und Verarbeitung“ vorgenommen wurde. Danach können Produkte derzeit auch dann mit dem Siegel „Made in Germany“ gekennzeichnet werden, wenn sie zu mehr als 90 Prozent im Ausland, aber zuletzt in Deutschland gefertigt wurden. Daran in irgendeiner Form rütteln zu wollen, dementierte die EU-Kommission vehement.
Der Streit um das „Made in Germany“ dürfte damit vom Tisch sein. Es sei denn, das dicke Ende kommt noch. Tatsächlich arbeitet der zuständige Kommissar Semeta an einer Neuregelung der Herkunftsbezeichnungen für Waren, die von außerhalb der EU eingeführt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Harmonisierung hatte auch der Bundesgerichtshof bereits 1994 bejaht. Denn mit welcher Kennzeichnung soll eine indische Taschenlampe versehen werden, die von einem deutschen Unternehmen in der Bundesrepublik vertrieben wird?
Die Richter hielten die Aufschrift „Made in Germany“ damals für irreführend. Brüssel will sich nun offenbar daranmachen, solche Fragen zu klären. Das Qualitätssiegel soll dabei aber als Heiligtum der deutschen Industrie erhalten bleiben.
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