Wieso Kinder vom Land seltener Asthma haben
Stadtkinder leiden häufiger unter Allergien und Asthma als Kinder vom Land. Dies vermuten Experten. Dabei spielt ein neu entdecktes Enzym im Körper eine entscheidende Rolle.
Kinder, die auf Bauernhöfen leben, bekommen seltener Asthma und Allergien. Forscher haben die Gründe dafür betrachtet. Demnach aktivieren Endotoxine, Bestandteile von Bakterien, das Enzym A20, das sich in der Schleimhaut der Atemwege befindet. Das berichtet das internationale Wissenschaftler-Team im Fachmagazin "Science". Hierzu gehören auch Münchner Forscher.
"Man wusste immer, dass der Schutz vor Allergien mit dem Stallaufenthalt zu tun hat, aber man wusste nicht, warum", sagte Erika von Mutius, Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. "A20 ist ein ganz neu entdecktes Enzym, das offenbar eine unterdrückende Funktion hat."
Landleben: Schützender Effekt vor Asthma durch Enzym A20
Versuche mit Mäusen hätten gezeigt, dass diese weniger stark auf allergieauslösende Faktoren reagieren, wenn sie täglich Stallstaub einatmen. Daher sind sie vor allergischen Asthma geschützt. Vermittelt werde der schützende Effekt über das Enzym A20, das Entzündungsreaktionen im Körper beeinflusst. "Das Enzym selber muss aktiviert werden - und das tut auf irgendeine noch unbekannte Weise der Stallstaub", sagte von Mutius. "Die Untersuchungen haben gezeigt, dass diese ganze Entzündungskaskade, die zu allergischem Asthma führt, nicht mehr abrollen kann, wenn A20 aktiviert ist." Bei Asthmatikern komme das Enzym in geringerem Maße in der Schleimhaut vor. "Das Enzym wird von einem Gen produziert und wenn dieses Gen nicht ganz in Ordnung ist, dann gibt es ein Risiko für Asthma."
Kinder auf Bauernhöfen oder mit Haustieren in der Wohnung atmen über den Staub mehr Pilz- und Bakterienpartikel ein. Besonders bestimmte bei Kühen vorkommende Mikroben gelten als allergiemindernd. Der Staub in der Luft enthält auch verschiedene Endotoxine, stabile Bestandteile der äußeren Zellmembran von Bakterien.
Kinder vom Bauernhof haben seltener Asthma und Allergien
Die Forscher um Martijn Schuijs von der Universität Gent in Belgien hatten Mäusen zwei Wochen lang täglich Endotoxine in niedrigen Dosen verabreicht. Es gab auch eine unbehandelte Kontrollgruppe. Danach wurden die Tiere beider Gruppen Staubmilben ausgesetzt, die auch beim Menschen allergische Reaktionen wie Asthma auslösen können. Die Tiere, die mit Endotoxinen behandelt wurden, hätten keine allergischen Symptome entwickelt. Dafür aber die Kontrollgruppe, berichten die Forscher. Ähnliche Ergebnisse gab es, wenn den Tieren auf deutschen Bauernhöfen gesammelter Staub verabreicht wurde.
Weitere Versuche der Wissenschaftler prüften die Abläufe in menschlichem Gewebe. Sie analysierten mit Zellkulturen von Lungengewebe gesunder Probanden und Asthma-Patienten, wie die Zellen auf Endotoxine reagieren. Bei den gesunden Teilnehmern hätten sich weniger der für Allergien typischen Entzündungsmoleküle gebildet, so die Studie. Für A20 zeigte sich bei diesen Probanden, dass es in größeren Mengen in den gesunden Zellen vorhanden war als bei Asthmatikern. Demnach sei das Enzym für die schützende Rolle einer Bauernhof- oder Tierhaltungsumgebung ein wichtiger Faktor, schließen die Wissenschaftler. Die nächste Frage für die Forscher sei nun, wie das Enzym sonst noch aktiviert werden kann, sagte von Mutius.
Normalerweise ignoriert ein ausgeglichenes Immunsystem Allergene wie Hausstaub oder Pollen. Bei Allergikern aber wird der Feind mit aller Macht bekämpft: Deswegen verkrampt die Atemmuskulatur und die Schleimhaut der Bronchien schwellen an. Studien haben gezeigt, dass Kinder, die auf dem Bauernhof groß werden seltener an Asthma und Allergien erkranken. Studien zufolge steigt die Zahl der Asthmatiker weltweit. AZ/dpa
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