Erinnerungen: Eine Nähmaschine sicherte das Überleben

VonThomas Hack

Marianne Königers Familie schaffte es durch den Krieg – dank eines Handwerks und der Hartleitner-Mühle in Diedorf

Die 79-jährige Marianne Königer zeigt heute wahrlich viele ungewöhnliche Gesichter: Man kann ihr in edlen Renaissancekleidern begegnen, trifft sie in Rittergewandung auf Mittelaltermärkten an und sieht sie durchaus mal im venezianischen Karnevalskostüm. Die große Leidenschaft der Pferseerin sind historische Feste und das Nacherleben längst vergangener Zeitepochen. Doch vor 70 Jahren hatte selbst genähte Kleidung eine ganz andere Bedeutung für sie: Diese sicherte ihrer Familie das Überleben nach dem Angriff auf die Fuggerstadt ...

Das Mädchen hatte gerade erst seinen neunten Geburtstag gefeiert, als die Bomben des Zweiten Weltkriegs auf die Augsburger Innenstadt herabregneten. „Unser Haus war nicht mehr bewohnbar“, erinnert sich die Dame nachdenklich, „Die Zimmerdecken waren durchgebogen und die Türen herausgeschleudert!“ Ihr Vater war mit der Familie augenblicklich in den Keller geflüchtet, doch die Mutter ahnte bereits die kommenden Zeiten voraus: „Ich brauche meine Nähmaschine!“ Mitten aus dem flammenden Inferno wurde ihr das Gerät geholt – zum Segen für die ganze Familie, wie sich später herausstellen würde. Die kleine Marianne kämpfte sich schließlich durch die Stadt und drang bis zum Klinkerberg vor. Dort traf sie auf ihren damaligen Schutzengel, den Besitzer der Kreppener-Mühle bei Diedorf: „Herr Hartleitner nahm mich und viele andere Kriegsopfer auf dem Traktoranhänger zu seinem Zufluchtsort mit. Er hatte uns Kindern dort sogar die Betten überlassen, während er selber auf dem Stroh in seiner Scheune schlief.“ Drei Tage später traf auch der Vater in der Mühle ein – erblindet durch die lodernden Flammenwände in der Fuggerstadt.

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