Anklage: Mutter ließ ihr Baby beinahe verhungern
Weil sie ihre Kinder massiv vernachlässigt haben soll, muss sich eine 29-Jährige nächste Woche in Augsburg vor Gericht verantworten. Ihr jüngstes Kind soll beinahe verhungert sein.
Als der acht Monate alte Kevin (Name geändert) am 4. Mai 2015 in die Augsburger Kinderklinik eingeliefert wird, wiegt er nur 3950 Gramm. Sein Zustand ist lebensbedrohlich. Das Kind ist stark unterernährt. Es leidet an einer Vireninfektion, die zu Erbrechen, Durchfall und Fieber führt. Wochenlang muss das Kind im Krankenhaus behandelt werden. Nun muss sich Sindy P., die Mutter des Jungen, vor Gericht verantworten. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft wiegt schwer. In der Anklageschrift ist von versuchtem Mord die Rede.
Sindy P., 29, hat bereits vier Kinder, als sie im September 2014 den kleinen Kevin zur Welt bringt. Zwei Kinder leben allerdings nicht bei ihr. Sie ist arbeitslos und wohnt zu der Zeit in einer Wohnung für Obdachlose im Stadtteil Bärenkeller. Weil es schon zuvor Probleme gab, hat das Jugendamt eine Betreuung angeordnet. Regelmäßig sollen Pädagogen im Auftrag des Amtes bei der Mutter vorbeischauen und prüfen, ob sie mit der Betreuung ihrer Kinder zurechtkommt.
Im April fällt bei einem der Besuche auf, dass die Kinder, „sehr dünn“ sind. Es dauert danach noch rund zwei Wochen, bis der unterernährte Kevin nach einem unangemeldeten Besuch der Pädagogen bei der Mutter in die Klinik gebracht wird. Auch die beiden anderen, 2010 und 2013 geborenen Kinder, die bei der Mutter leben, müssen wegen ihres schlechten Zustands medizinisch behandelt werden. Das Jugendamt zeigt den Fall an. Zunächst bleibt Sindy P. aber noch auf freiem Fuß. Als nach einigen Monaten ein Gutachten zum Gesundheitszustand des Babys vorliegt, beantragt die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl. Die 29-Jährige wartet seither im Gefängnis in Aichach auf den Prozess. Im Gutachten steht, dass Kevin wegen der Vernachlässigung in Lebensgefahr schwebte – auch in der Klinik war die Gefahr nicht sofort gebannt.
Die Frau soll ihre Kinder vernachlässigt haben
Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau vor, dass sie ihre Kinder vernachlässigte, weil sie keine Lust hatte, sich ausreichend zu kümmern. Offenbar ging sie lieber aus. Sie soll die Kinder längere Zeit alleine gelassen haben. Bei einem Hausbesuch wurde festgestellt, dass Kevin in einem dunklen Zimmer lag.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sindy P. den möglichen Tod ihres Kindes bewusst in Kauf nahm – deshalb der Vorwurf des versuchten Mordes. Als Mordmerkmal nennt die Anklagebehörde „niedere Beweggründe“. Sollten die Richter dieser Ansicht folgen, dann droht der Mutter eine lange Haftstrafe. Auch bei versuchtem Mord ist eine lebenslange Haft möglich. Allerdings wird das in der Praxis von den Gerichten selten genutzt. Meist fällt die Strafe milder aus, wenn die Tat nicht vollendet wurde. Eine Rolle spielt in der juristischen Bewertung auch, dass die Mutter nicht aktiv eine Gewalttat begangen hat – sondern sie es „nur“ unterließ, sich ausreichend zu kümmern. Anwältin Cornelia McCready wird die Mutter verteidigen. Die Kinder seien vernachlässigt worden, sagt sie. Aber um einen Mordversuch handle es sich ihrer Ansicht nach nicht.
Der Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts soll am kommenden Dienstag beginnen. Die Kammer unter Vorsitz von Christoph Wiesner hat vier Verhandlungstage angesetzt. Bereits am ersten Sitzungstag sollen unter anderem die vier Väter der fünf Kinder als Zeugen befragt werden.
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