Gibt es in Schulbussen bald eine Sitzplatzgarantie?
Viele Kinder fahren jeden Tag mit dem Bus zur Schule. Einen Sitzplatz bekommen sie nicht immer. Gesetzlich ist das zwar in Ordnung, doch viele Eltern wehren sich jetzt.
Am ersten Schultag nach den Sommerferien hat Gabriela Blum ihren Sohn wieder einmal zum Schulbus begleitet. „Es war chaotisch“, sagt die Mutter, wenn sie an diesen Morgen zurückdenkt. Komplett voll sei der Bus gewesen, die Kinder seien bis an die unterste Stufe an der Tür gestanden. Gabriela Blum wollte nicht, dass ihr Sohn sich auch noch dazudrängelt. „Ich habe ihn mit dem Auto zur Schule gefahren.“ Inzwischen sei das Gedränge weniger geworden, sagt die Mutter aus Königsmoos (Kreis Neuburg-Schrobenhausen). Trotzdem müsse ihr Sohn aber nach wie vor jeden Morgen im Schulbus stehen.
Im Internet wurde eine Petition gegen das Stehen im Schulbus gestartet
Seit einem Jahr setzt Gabriela Blum sich dafür ein, dass sich daran etwas ändert. Und sie ist nicht allein: Im Internet stieß Blum auf die Petition zur „Einführung der Sitzplatzpflicht in bayerischen Schulbussen“. Natürlich unterschrieb sie. „Ich habe Mund-zu-Mund-Propaganda betrieben, im Elternabend auf die Petition hingewiesen“, erzählt Blum. Am Ende hatte sie nach eigener Aussage mindestens 4000 Unterstützer für die Petition gewonnen. Initiator der Unterschriftenaktion ist Dominik Heuwieser aus dem niederbayerischen Unterdietfurt (Kreis Rottal-Inn). Ursprünglich hatte der 29-Jährige, FDP-Kreispolitiker und Verwaltungsleiter bei einem Unternehmen für Energiespeichersysteme, auf 10 000 Unterstützer gehofft. Am Ende waren es 21 888, davon 19 195 in Bayern. „Das ist ein Appell an die Staatsregierung, sich endlich Gedanken zu machen“, sagt Heuwieser, selbst Vater eines kleinen Sohnes.
Seit er seine Petition im August 2013 ins Netz gestellt hat, habe er immer wieder Zuschriften besorgter Eltern bekommen. Von Stürzen im Bus hätten sie geschrieben, von Prellungen und Schürfwunden nach der Fahrt zur Schule. Heuwieser will das nicht länger dulden. Deshalb hat er seine Petitionslisten persönlich im Münchner Landtag vorbeigebracht. „Die berechtigten Sorgen der Eltern müssen endlich ernst genommen werden.“
Verkehrsausschuss hält die Sitzplatzgarantie für "nicht realisierbar"
Voraussichtlich Anfang November befasst sich der Verkehrsausschuss im Landtag mit Heuwiesers Petition. Gesetzlich ist die Sache klar: In Schulbussen gelten dieselben Transportrichtlinien wie im öffentlichen Linienverkehr. Und in jedem Linienbus ist eine gewisse Zahl an Stehplätzen vorgesehen. Die Sicherheit sei auch auf solchen Gangplätzen nicht beeinträchtigt, sagt Oliver Platzer, Pressesprecher des Innenministeriums. Im Auto, auf dem Fahrrad oder zu Fuß: „Mit jedem anderen Transportmittel sind Kinder mehr gefährdet.“
Die Forderung nach einer Sitzplatzgarantie hält Platzer für „schlichtweg nicht realisierbar“. Man müsste „riesige Fahrzeugreservekapazitäten“ anschaffen. Damit hätten viele Landkreise und kreisfreie Städte als Aufwandsträger nicht nur ein Finanzierungsproblem. Außerhalb der Stoßzeiten stünden die Busse dann ungenutzt im Betriebshof.
Schulbus-Aktivist Heuwieser: "Im ländlichen Bereich ist der Nahverkehr unterversorgt“
Schulbus-Aktivist Heuwieser sieht das anders: „Gerade im ländlichen Bereich ist der öffentliche Nahverkehr unterversorgt“, sagt er. Zusätzliche Busse kämen da genau richtig. Wenn sie nicht gerade Schüler beförderten, könnten sie im Linienverkehr eingesetzt werden, etwa als Verbindung zwischen zwei Landkreisen.
Einer, der Heuwiesers Einsatz für eine Sitzplatzgarantie unterstützt, ist Andreas Meyer, Bürgermeister im oberbayerischen Münchsmünster (Kreis Pfaffenhofen/Ilm). Schüler aus seinem Ort stehen sich im Bus nicht mehr die Beine in den Bauch. „Immer wieder hat es Beschwerden gegeben“, erinnert sich Meyer.
Per Volksbegehren könnte eine Sitzplatzgarantie durchgesetzt werden
Vor allem von Eltern, für deren Kinder im Bus zur Realschule nach Manching jeden Morgen nur noch die Stehplätze übrig geblieben waren. Meyer hat das Thema mit seinem Gemeinderat besprochen – und gehandelt. Heute bringt ein neuer Bus die Kinder zur Schule. Ein Bus, der groß genug ist, dass jeder Schüler einen Sitzplatz hat. Die Mehrkosten übernimmt die Gemeinde. „Seitdem hatten wir keine einzige Beschwerde mehr“, sagt der Bürgermeister. Wenn mehr Gemeinden so handeln würden, glaubt Meyer, könne man die Sitzplatzpflicht auch auf Landesebene durchsetzen.
Dominik Heuwieser aber hofft, dass die Regierung nicht erst eine Initiative von unten braucht. „Ein schlichtes ‘Nein’ aus dem Landtag werde ich nicht akzeptieren“, sagt er. „Ich erwarte zumindest einen Gegenvorschlag.“ Wenn der nicht kommt, will Heuwieser einen Schritt weiter gehen. Um ein Volksbegehren anzustoßen, braucht man in Bayern 25 000 Unterschriften. Er sagt: „Davon waren wir bei unserer Petition gar nicht mehr so weit entfernt.“
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