Rechtsordnung für Migranten: Ministerin warnt vor Paralleljustiz
Eine neue Broschüre zur deutschen Rechtsordnung soll Muslime aufklären. Grundsätzliche Fragen werden darin behandelt und Paralleljustiz soll dadurch vorgebeugt werden.
Sein Urgroßvater war das Gesetz. Jetzt will der Nachkomme eines anatolischen Großgrundbesitzers selbst das Gesetz sein. Darum hat er sich zum Friedensrichter ernannt. Menschen wie er wollen an die Stelle eines Strafrichters treten, ignorieren aber die deutsche Rechtsordnung, wie Justizministerin Beate Merk (CSU) anhand dieses Beispiels auf einer Veranstaltung im Justizpalast in München erläuterte.
Paralleljustiz darf nicht hingenommen werden
„Eine Paralleljustiz, die sich vor dem Staat versteckt und unser Rechtssystem unterläuft, darf nicht hingenommen werden“, sagte sie. Die neue Broschüre „So funktioniert die deutsche Rechtsordnung“ soll Migranten in einfacher Sprache aufklären und über Beratungsangebote informieren. So geht es um grundsätzliche Fragen, wie in Deutschland ein Streit geschlichtet wird oder wie jemand an sein Recht kommt, wenn er anderen Geld geliehen hat.
Besonders Frauen können ihr Recht nicht wahrnehmen
Vor allem Frauen laufen laut Merk Gefahr, nicht zu ihren Rechten zu gelangen. Das bestätigt Nazan Simsek, Fachanwältin für Familienrecht aus Augsburg, in der Podiumsdiskussion aus eigener Erfahrung. Polygamie bezeichnet die Juristin, die selbst türkisch spricht, ebenfalls als eine Art der Paralleljustiz. Falls die Ehe mit der Zweitfrau in die Brüche gehe, könne sich diese nicht einmal auf das geltende Familienrecht berufen. Schließlich sei keine rechtswirksame Eheschließung erfolgt, sondern lediglich eine religiöse.
Oftmals halte die Sprachbarriere viele davon ab, zum Anwalt zu gehen. Bildung und Aufklärung sind ihrer Ansicht nach die besten Maßnahmen, um einer Streitschlichtung im Verborgenen entgegen zu wirken. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte Simsek, dass es auch in Augsburg solche Fälle gebe, jedoch nicht im gleichen Ausmaß wie in noch größeren Ballungszentren. Die Dimension der Paralleljustiz lässt sich schwer einschätzen. Fest stehe allerdings: „Das Phänomen ist vorhanden“, sagte der Islamwissenschaftler Prof. Mathias Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg. Anzeichen dafür gebe es auch in Bayern.
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