Wenn der Polizist alleine Wache schieben muss
Gewerkschaften sehen in der Personalnot bei der Polizei eine große Gefahr
Augsburg Harald Schneider malt ein düsteres Bild der Personalsituation bei der bayerischen Polizei. „Die Lage ist so angespannt wie noch nie nach dem Krieg“, sagt der SPD- Landtagsabgeordnete und gelernte Polizist. Die Schuld für die Misere gibt er dem strikten Sparkurs der Bayerischen Staatsregierung der vergangenen Jahre. „Das rächt sich jetzt“, sagt Schneider, ehemaliger Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
An der dramatischen Personalsituation ändern aus seiner Sicht auch die 1750 zusätzlichen Stellen, die in den Doppelhaushalten 2009/2010 und 2011/2012 geschaffen wurden, vorerst nichts. Schließlich könnten die jungen Polizeischüler die Lücken im Schichtplan, die die Pensionierungswelle in den nächsten Jahren aufreiße, nicht so schnell schließen. Denn bis aus den Auszubildenden voll einsetzbare Streifenbeamte werden, vergehen mindestens drei Jahre. Schneider glaubt, dass sich die Personalsituation daher weiter verschärfen wird. Untragbar sei sie schon jetzt. Wie das bayerische Innenministerium bestätigt, sind derzeit 30 Prozent der Polizeiinspektionen in der Nacht mit lediglich drei Beamten besetzt. Auf drei von vier Dienststellen schiebt ein Polizist nachts alleine Wache.
Für den bayerischen Landesvorsitzenden der deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Hermann Benker, sind diese Zahlen alarmierend. „Auf dem Land kann die Personalnot lebensgefährlich werden“, sagt er. Wenn es eine größere Wirtshausschlägerei gebe, so Benker, seien die Polizisten meist schon überfordert. Natürlich werde dann Verstärkung aus der Nachbarwache angefordert, doch bis die eintreffe, kann es dauern. „Ich gehe inzwischen sogar so weit, dass ich den Kollegen rate, auf die Unterstützungskräfte zu warten oder sich zumindest abzusprechen, wer wann kommt. Auch Polizisten haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, erklärt Benker. In größeren Städten kann die Polizei aus seiner Sicht Personalengpässe besser ausgleichen als auf dem Land. Verstärkung sei schneller am Ort. Trotzdem müssten auch hier die Einsatzleiter im Zweifel entscheiden, welcher Einsatz die größere Priorität habe. So komme es vor, dass eine Streife eine Unfallaufnahme unterbreche, um zu einem wichtigeren Einsatz zu fahren. Besonders schwierig sei die Situation, wenn ein Beamter plötzlich krank wird. Dann werde zwar versucht, Kollegen aus der Freizeit zu holen, aber gelinge das nicht, „dann ist diese Dienststelle unter ihrem eigentlichen Soll“. Da würden selbst flexible Schichtmodelle nicht mehr helfen und immer mehr Überstunden angehäuft.
Für Benker wird die Belastung, denen Polizeibeamte ausgesetzt sind, deshalb schlicht zu groß. Die Sparpolitik der Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber trägt nach Angaben der Polizeigewerkschaft neben der Pensionierungswelle die Hauptschuld an der Misere. „Edmund Stoiber und sein Finanzminister Kurt Faltlhauser haben sich verkalkuliert“, sagt Benker.
Auch im Polizeipräsidium Schwaben-Nord in Augsburg kennt man die Personalsorgen. „Kollegen, die in Pension gehen, werden nicht eins zu eins ersetzt“, sagt Sprecher Udo Dreher. Er hofft, dass sich die Lage bessern wird, sobald die neu eingestellten Polizeischüler ihren regulären Dienst antreten. Das wird etwa in einem Jahr so weit sein.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann geht aus diesem Grund davon aus, dass sich die Personalsituation schon ab 2012 deutlich verbessern wird. „Die schwierigen Jahre der Personalengpässe liegen hinter uns“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung und verwies auf die 1750 zusätzlich geschaffenen Stellen bei der Polizei. Auch in der Rückkehr zur 40-Stunden-Woche sieht der Minister eine Erleichterung für die Beamten. „Das ist gerade für Polizisten besonders wichtig.“
Die Diskussion ist geschlossen.