Prügeln bis zum Knochenbruch: Straftäter werden immer brutaler
Ausgeschlagene Zähne, gebrochene Augenhöhlen: Im Kreis Donau-Ries gibt es viele Fälle von Gewalt. Und: Die Täter werden dabei immer brutaler.
Ein junger Mann steht mit seinem Geigenkoffer an einem U-Bahnhof. Plötzlich treten Jugendliche grundlos auf ihn ein, schlagen ihn. Sie brechen ihm die Arme, verletzen seine inneren Organe. Er geht zu Boden. Aus seinem Kopf fließt Blut auf den Bahnsteig. Wenig später liegt er im Koma.
Die Szene, sie ist nur Fiktion, stammt aus dem Kölner Tatort vom vergangenen Sonntag. Dennoch: Gewalt von Jugendlichen kommt in diesem Ausmaß in Deutschland vor, wenn auch glücklicherweise nur selten. Auch bei uns im Landkreis gibt es Fälle brutaler Gewalt. „Ich habe gerade noch einen Fall bearbeitet, bei dem ein Jugendlicher einem Opfer gegen den Kopf getreten hat. Obwohl dieses bereits am Boden lag“, sagt Gerhard Schamann, Jugendrichter am Amtsgericht Nördlingen. Solche Fälle, in denen das Opfer noch malträtiert wird, obwohl es sich nicht mehr wehren kann, tauchen erst seit etwa acht Jahren auf. „Das ist eine neuere Erscheinung“, so Schamann. Der Grund dafür? „Viele behaupten, die Medien seien Schuld: vor allem das Fernsehen oder auch Computerspiele.“
Ausgeschlagene Zähne
Solche Gewalttaten haben schlimme Folgen: Schamann weiß von Jochbeinbrüchen zu berichten, von ausgeschlagenen Zähnen und gebrochenen Augenhöhlen. „Diese Auswirkungen sind schlimm genug“, sagt Schamann. „Aber die wirklich drastischen Fälle landen nicht bei mir, sondern in Augsburg.“
Dort, im Kommissariat neun des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord, beschäftigen sich die Polizisten mit jugendlichen Intensivtätern. Herbert Horner, Leiter des Kommissariats, will die Ausmaße der Taten nicht genau benennen. Er sagt, dass der im Tatort dargestellte Vorfall „ein rarer Ausnahmefall“ sei, aber er komme vor. Häufig sei hingegen, dass sich die Gewalttäter ihre Opfer willkürlich aussuchen: „Die sind häufig einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.“
Straftäter werden brutaler
In den letzten Jahren, so stellt er fest, sei zwar nicht die Anzahl an Gewalttaten von Jugendlichen gestiegen, aber dafür die Intensität der einzelnen Taten: „Wenn hingelangt wird, dann wird kerniger hingelangt.“ Außerdem seien zusehends mehr Täterinnen beteiligt. „Das wurde im Tatort schon realistisch dargestellt.“
Als realistisch stuft Hans Potzel vom Erziehungs- und Jugendhilfeverbund Nordschwaben auch die dargestellte Hilflosigkeit der Eltern der jugendlichen Täter ein. „Immer wieder entgleiten Jugendliche ihren Eltern, sodass diese keinen Zugang mehr zu ihnen finden.“ Es sei aber zu einfach, ihnen die Schuld für das Verhalten ihrer Kinder zu geben. Ein großer Teil der Beeinflussung liege außerhalb ihrer Kontrolle: bei den neuen Medien zum Beispiel, also vor allem bei Handy und Internet.
Da sei es wichtig, so Potzel, dass Eltern zu ihren Kindern eine konstruktive Beziehung aufbauen. Sie sollten sie nehmen und sehen, wie sie sind. Sie sollten Grenzen vermitteln und sensibel für Signale für eine erhöhte Gewaltbereitschaft sein. Sie sollten das Gespräch zu ihnen suchen.
Gruppenzwang kann zu Gewalt führen
Das sieht auch Norbert Ziegler so. Der stellvertretende Teamleiter vom Sozialdienst des Jugendamtes macht darauf aufmerksam, dass Eltern deutlich äußern sollten, wenn sie das Verhalten ihres Kindes nicht tolerieren. Sie sollten auch darauf achten, mit wem sich das Kind umgibt. Schließlich führe auch Gruppenzwang in manchen Cliquen zu gewalttätigem Verhalten. Er sieht dieses Problem, wie auch im Tatort dargestellt, nicht nur in den unteren Schichten der Gesellschaft. „Gewalt erwächst auch aus der gehobenen Gesellschaftsschicht.“ Häufig sei Vernachlässigung der Grund. Jugendrichter Schamann fügt hinzu, dass auch Alkohol eine große Rolle spiele. Überwiegend seien die jugendlichen Täter, mit denen er konfrontiert wird, nämlich alkoholisiert: „Nüchtern kämen sie wahrscheinlich gar nicht auf die Idee zu solchen Taten.“
Insgesamt, da sind sich die Experten aus dem Landkreis einig, habe der Tatort das Thema vernünftig dargestellt. Was Schamann als Richter kritisiert: die Äußerung des Kommissars Ballauf, dass die jugendlichen Täter „ein paar Sozialstunden mit Blätteraufsammeln im Park“ als Strafe erhalten. „Diese falsche Darstellung ist bedenklich“, sagt er. Horner hingegen findet die Tatort-Folge „gar nicht mal so schlecht“. Es sei schließlich immer noch ein Film. „Die können unseren Arbeitsalltag ja nicht komplett aufbereiten.“ Der sei ja auch nicht immer so spektakulär wie im Tatort. Zum Glück.
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