Der neue Jaguar E-Pace im ersten Test: Katzenbaby zu verkaufen
Jaguar versucht seinen neuen Kompakt-SUV über den niedrigsten Einstiegspreis der gesamten Modellpalette an den Mann zu bringen. Geht die Rechnung auf?
Autopräsentationen bei Premiumherstellern sind manchmal wie kleine Theaterstücke. Erst werden die Vorzüge des neuen Modells über mehrere Akte in den höchsten Tönen gepriesen. Dann, in einem Halbsatz ganz zum Schluss, wenn die Journalisten gedanklich schon im Testwagen sitzen, folgt - hüstel, hüstel - der Preis. Er fällt oft genug so aus, dass für einige im Publikum die Aufführung schon wieder endet, bevor sie richtig begonnen hat.
Jaguar dreht nun den Spieß um. Very offensiv stellen die Briten den Preis ihres jüngsten Katzenbabys in den Vordergrund. Ab 34.950 Euro oder ab einer Leasingrate von 179 Euro pro Monat (Einmalzahlung: 7201 Euro!) ist der neue E-Pace zu haben. Der günstigste Jaguar überhaupt, aber auch eine Kampfansage an die Premium-Konkurrenz? Nicht wirklich. Ein BMW X1 sDrive 18d beginnt bei 34.800 Euro, ein Audi Q3 2.0 TDI bei 33.000 Euro. Gut, beide sind keine Jaguars, und natürlich lässt sich die Ausstattung nicht 1:1 vergleichen. Aber zumindest motorseitig sind die drei Wettbewerber gleich. Alle setzten auf einen 150 PS starken Diesel.
Was taugt der neue Jaguar E-Pace?
Netter Versuch also mit dem Preis, aber den braucht es auch, will man im vor Angeboten platzenden Segment der Kompakt-SUVs Marktanteile erobern. Da hat sich das Königreich viel vorgenommen: 80 Prozent der künftigen E-Pace-Eigner sollen zuvor noch nie einen Jaguar besessen haben. Und zuschlagen will man ausgerechnet in einer Zielgruppe, in welcher der Euro nicht immer besonders locker sitzt: bei jungen Paaren und Familien.
Was erwarten die neben einem guten Preis von einem Auto? Dass es genügend Platz bietet, dabei trotzdem sexy aussieht und halbwegs flott unterwegs ist. Diese drei Kriterien erfüllt der E-Pace. Sein Design sticht aus der Masse heraus. Wer die aufgepumpten Körper von Bodybuildern mag, wird diesen Wagen lieben. Er strotzt vor Kraft. Da der Jaguar anders als das Gros der Konkurrenz eine hohe Dachlinie nicht scheut, besitzt er außen mehr Präsenz und innen, insbesondere auf der Rückbank, großzügigere Platzverhältnisse. Eine vierköpfige Familie sollte sich recht luxuriös untergebracht fühlen, sofern sie sich an den harten, glatten Kunststoffen nicht stört, die hier und da dominieren.
Was der Zielgruppe wichtiger sein dürfte als der Materialmix: das Digitalisierungs-Level. Hier weiß sich der jüngste Jaguar auf der Höhe der Zeit. Er verfügt über einen superspontan ansprechenden Berührbildschirm, kann ein bordeigenes WLAN für bis zu acht Geräte aufbauen und besitzt fünf USB-Steckdosen - das richtige Setup für eine Generation, die immer online ist und das Smartphone niemals aus der Hand legt.
Und wie fährt er sich? Schwer zu sagen, zumal für erste Tests nur die beiden größten Triebwerke am Start waren. Dabei dürften die kleineren, günstigeren Motoren in der Gunst der Käuferschaft höher liegen. Der mindestens 52.475 Euro teure 240-PS-Diesel jedenfalls muss es auf den ersten Eindruck nicht unbedingt sein. Ihm fehlt subjektiv ein wenig der ob dieser nominell hohen Leistung zu erwartende Punch. Weiteres Manko: Die Neungang-Automatik harmoniert nicht hundertprozentig mit dem Selbstzünder. Der 300-PS-Benziner (ab 52.850 Euro) schlägt sich besser. Damit fährt das Auto so dynamisch, wie es aussieht.
Jagar kann mit BMW und Audi nicht überall mithalten
Dennoch: An die Agilität und Direktheit eines leistungsmäßig ebenbürtigen BMW- oder Audi-SUVs reicht die Top-Version des E-Pace kaum heran. Aber das muss sie vielleicht auch nicht, macht doch der wuchtige Engländer generell und demonstrativ sein eigenes Ding. Dazu passt, dass er die beiden Bayern im Gelände nur so stehen lässt, was unter anderem an seiner relativ üppigen Bodenfreiheit und dem cleveren Allradantrieb liegt. Hier spürt man die Verwandtschaft zu Land Rover auf jedem Meter.
Seine Kraxel-Kompetenz darf sich der E-Pace neben der umwerfenden Optik als größten Mehrwert gegenüber der Konkurrenz anrechnen lassen. Freilich kommt das alles erst zum Tragen, wenn man das Auto entsprechend aufrüstet. Allzu verlockend ist die Aussicht auf 4x4-Grip, einen kräftigeren Motor und eines der höheren Ausstattungspakete. So werden aus knapp 35.000 schnell 50.000 Euro. Trotzdem hat der neue „Kleine“ von Jaguar das Zeug dazu, zum meistverkauften Modell der Marke aufzusteigen.
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