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Literatur
04.11.2018

Hans Magnus Enzensberger und das Glück der späten Geburt

„Ein eigentümlicher Rausch überfiel auch M.“: Hans Magnus Enzensberger erinnert sich. 
Foto: Imago/Leemage

Mit „Eine Handvoll Anekdoten“ blickt der Schriftsteller auf seine Kindheit und Jugend in Zeiten von Diktatur und Krieg zurück.

Manch einer unter seinesgleichen denkt schon viel früher öffentlich darüber nach, wie er denn wurde, was er ist. Hans Magnus Enzensberger aber hat sich Zeit gelassen mit Autobiografischem größeren Stils. Vor vier Jahren hat er mit „Tumult“ eine Bilanz seiner marxistisch bewegten Jahre als junger Mann vorgelegt. Jetzt, wenige Tage vor seinem 89. Geburtstag, hat der Schriftsteller noch einige Lebenskapitel weiter zurückgeschlagen und präsentiert nun mit „Eine Handvoll Anekdoten“ die Geschichte seiner Kindheit und Jugend.

Dieses „Opus incertum“ – Enzensberger verweist mehrfach auf das Ungesicherte des Unternehmens, auf die Dichtung in der Wahrheit –, dieses Erinnerungsstückwerk ist, wie er verrät, vor ein paar Jahren bereits in kleiner Auflage als Privatdruck erschienen. Offenbar ist dem Verfasser ans Herz gelegt worden, auch die breite Leserschaft teilhaben zu lassen. Zum Glück, denn die „Handvoll Anekdoten“ stellt sich, trotz des ein oder anderen Einwands, als faszinierender Bericht aus Deutschlands prekärster Periode heraus – wahrgenommen mit den Augen eines Heranwachsenden. Und er gibt Auskunft darüber, woher dieser Mann kommt, der die literarische und intellektuelle Szene der Bundesrepublik seit Jahrzehnten mitbestimmt.

Natürlich war von Enzensberger auch diesmal nicht zu erwarten, dass er schreibend auf die gewohnt kühle Temperierung und ironische Distanziertheit verzichten würde. Das beginnt schon damit, dass er von sich in der dritten Person, nämlich von einem gewissen „M.“, redet. Die Eltern, erfährt man, gaben ihren vier Kindern zwei Vornamen mit, dazu wurde „jeder mit einem kindlichen Ruf- oder Spitznamen bedacht“ – dem Ältesten, so kann man es sich aus dem ebenfalls gerade erschienenen Enzensberger-Briefwechsel mit Ingeborg Bachmann zusammenreimen (Piper/Suhrkamp) – ist der Rufname „Mang“ jedenfalls über die Frühzeit hinaus erhalten geblieben.

Wie der Sohn den Parteieintritt des Vaters erklärt

Vater und Mutter – Enzensbergers Rückbesinnung ist auch eine Verbeugung vor der Herkunftsfamilie. „Mit seinen Eltern hat M. Glück gehabt. Die ließen ihn fast immer das machen, was er wollte, ganz im Gegensatz zu einer Außenwelt, die immerzu mit Vorschriften gekommen ist …“ Es bleibt ungeschrieben und ist doch offensichtlich, dass in dieser Liberalität der Urgrund liegt für die geistige Beweglichkeit des späteren Autors. Mehrere der „Anekdoten“-Kapitel sind dem Vater gewidmet. Andreas Enzensberger ist Beamter im Telefondienst der Post, ein Experte auf seinem Gebiet, der aber von Karriere nichts wissen will. Und doch, im März 1933, „ist er wie seine Amtskollegen“ der Partei beigetreten, „weil er“, wie Enzensberger schreibt, „sonst seinen Status als Beamter und damit auch als Ernährer der Familie eingebüßt hätte“. Der Sohn ist nachsichtig, kommentiert diesen Schritt nicht weiter, der bei so vielen seiner Generationsgenossen später zu heftiger Konfrontation mit den belasteten Vätern führte.

In der Stadt, aus der die Mutter stammt, wurde Enzensberger am 11. November 1929 geboren – er verhüllt die lokale Identität hinter einem schnöden „K.“ und hat für Kaufbeuren auch sonst nicht mehr als einen einzigen Satz übrig. Die Wertschätzung des ausgeschriebenen Namens erfährt dagegen der Ort, an den die Familie schon bald mit dem kleinen Magnus zieht: Nürnberg. Eine Stadt, die schon dem sehr jungen Enzensberger allerlei Anschauungsmaterial bietet. Nicht weit von der elterlichen Wohnung residiert der Gauleiter Julius Streicher, „ein fetter, stiernackiger Mann“. In Nürnberg, der Stadt der großen Aufmärsche, widerfährt dem Bub auch „eine erste Enttäuschung“ – in Gestalt des im Wagen vorbeiziehenden, von der Menge bejubelten Hitler. „Gern hätte er zu den Begeisterten gehört, doch verspürte er nur ein flaues Gefühl im Magen. Ihm war so, als hätte man ihm zum Weihnachtsabend ein verheißungsvolles Paket geschenkt und als wäre nur Holzwolle darin gewesen.“ Als Leser hätte man vom Autor hier gerne noch erfahren: War er als Knirps tatsächlich schon so abgeklärt? Oder war die „Enttäuschung“ nichts als kindliche Eintracht mit der Haltung der Eltern, die die braunen Gesellen verabscheuten?

Auch wenn er, wie er schreibt, in den Genuss des „moral luck“ gekommen sei, also zu jenen gehörte, die aufgrund ihres Geburtsjahrgangs nicht von der Aufbruchstimmung erfasst wurden und also auch nicht auf die falsche Fährte gerieten – ganz konnte sich der junge „M.“ nicht dem Zugriff des Regimes entziehen. Als aber die HJ ihn zum „Dienst“ verpflichtet, geht er, von Widerwillen erfasst, nach ein paar Malen einfach „nicht mehr hin“. So einfach war das also? Enzensberger, der sich hier zum kindhaften Systemverweigerer zu stilisieren droht, kriegt rechtzeitig die Kurve. „Wie kann es sein“, fragt er ein paar Seiten danach, „dass die meisten seiner Mitbürger hartnäckig dabei blieben, sie hätten von nichts gewusst? Schon im Kindergarten hat man ihnen doch, statt mit dem schwarzen Mann, gedroht: Pass auf, Freundchen, sonst kommst du nach Dachau!“

„Der Krieg hat ihm nicht viel ausgemacht“

Überhaupt, auf Dialektik versteht er sich. Zwar notiert er kategorisch über den Knaben M.: „Der Krieg hat ihm nicht viel ausgemacht“, um über diese erstaunliche Seelenlage aus jetziger Perspektive so zu reflektieren: „Beim Anblick der heutigen Fernsehbilder von fernen Bürgerkriegen wundert er sich nicht über die verwahrlosten Kindersoldaten, die mit Maschinengewehren in der Hand ganze Landstriche in Schrecken versetzen.“ M. wird, wenig später, selber zu einem solchen, rekrutiert zusammen mit anderen Halbwüchsigen Proviant bei einem Bauern, der sie anfleht aufzuhören. „Seine Frau fiel vor den Kinderkriegern sogar auf die Knie. Ein eigentümlicher Rausch überkam in diesem Augenblick nicht nur seine beiden Kameraden, sondern auch M.“ Doch zum Äußersten kommt es nicht, und so lautet Enzensbergers persönliche Bilanz der Spanne von Diktatur und Krieg: „Zur Tatzeit war er einfach nicht alt genug, um in das Verbrechen verwickelt zu sein.“

Das letzte Drittel der „Handvoll Anekdoten“ ist den Nachkriegsjahren gewidmet und zeigt den jungen Hans Magnus als gewieften Schwarzmarkthändler, der keine Skrupel hat, Nazi-Devotionalien an die Besatzer zu verhökern. Stellenweise wird es hier arg plauderig, gerät der Bericht nicht selten in Gefahr, zum Schelmenroman zu werden. Da hält man sich dann lieber an die üppig ausgebreitete Buchbebilderung, vielfach Fotofunde aus dem „Familienarchiv Enzensberger“, aber auch sonst wundersam passende Illustrationen, die mit gekonnter Hand in den Schriftsatz eingefügt wurden und somit die „Anekdoten“ auch visuell zur gewinnbringenden Lektüre werden lassen.

Hans Magnus Enzensberger: Eine Handvoll Anekdoten, auch Opus incertum. Suhrkamp, 240 S., 25 €.

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