Wie geht es weiter mit der Sanierung des Augsburger Theaters?
Augsburg hat die Pläne einer Sanierung des Theaters präsentiert. Die dafür veranschlagten 235 Millionen Euro sind bislang nicht finanzierbar. Wie geht es weiter?
Die in Aussicht gestellte kostspielige und bislang nicht finanzierbare Generalsanierung des Theaters Augsburg sandte zunächst heftige Schockwellen aus. Allein schon die Summe des Projekts machte sprachlos: 235 Millionen Euro. Eine gewaltige Zahl, für Privatleute mit normalem Einkommen nicht mehr zu begreifen. Aber für ein solches Projekt keine abwegige Summe.
Auf sparsame Schwaben entfaltet der Betrag jedoch den Eindruck von Verschwendung. So hört und liest man immer wieder, es handele sich bei der Generalsanierung um eine Luxussanierung. Für so etwas hat man kein Geld. Überhaupt hat Augsburg kein Geld. Das wissen alle. Jedes Jahr aufs Neue muss die Stadt bangen, dass die Regierung von Schwaben wegen des hohen Schuldenstands etwas am städtischen Haushalt beanstandet. Also, wie soll das gehen, diese Sanierung? Das fragen sich seit Februar viele Augsburger. Und eine Antwort haben sie bislang nicht (erhalten).
Die Schockwellen wirken nach. Im verfallenden Gebäude kann das Theater nicht mehr lange spielen. Dass die Theatergänger sich mehrere Jahre auf Ausweichspielstätten mit stark reduzierter Bühnentechnik einstellen müssen, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Im Hintergrund keimt der Verdacht, dass aus Jahren ein Jahrzehnt oder mehr werden kann, wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird.
Augsburg hofft auf finanzielle Unterstützung vom Freitstaat
Mittlerweile bekommt man den Eindruck, dass die erste Finanzierungsidee der Stadtregierung auf dem Prinzip Hoffnung beruht haben könnte. Sie präsentierte eine Planung, die die eigenen Möglichkeiten übersteigt, erklärte den Bürgern, warum alles so teuer kommt und was gemacht werden muss. Gleichzeitig schielte die Stadt auf München: Der Freistaat soll es richten und Augsburg mehr Geld zukommen lassen als zugesagt. Der Freistaat allerdings sieht das (bislang) nicht ein.
Das hat Phase zwei eingeläutet. Auf den Schock folgen Fragen, auch Kritik – und die Gefahr, dass die Theatersanierung gegen die anderen Baustellen der Stadt ausgespielt wird. Plötzlich liest man, dass die Oper, die andernorts in Europa boomt und für die etliche neue kostspielige Häuser errichtet wurden, dass also die Oper veraltet sei und abgeschafft gehöre. Anderswo in Europa sieht man, dass es gerade dem Musiktheater gelingt, über Sprachgrenzen hinweg Menschen anzusprechen und von weither Publikum in Ballungsräume zu locken. In Augsburg liest man Internet-Aufsätze, mit denen die Oper beerdigt werden soll.
Es heißt da, man könne das viele Geld, das ins Musiktheater fließt, für anderes besser einsetzen. Für die freie Szene zum Beispiel. Dass solche Vorschläge von Menschen kommen, die sich selbst zur freien Szene rechnen oder diese unterstützen, heißt ja nicht gleich, dass nicht auch in anderen der Gedanke keimen könnte, sich still und heimlich von der einen oder anderen Sparte zu verabschieden.
Theatersanierung in Augsburg: Infrastruktur, statt Kultur?
Wer das Theater mag, wer sich eine Großstadt ohne eigenes Theater nicht vorstellen kann, wird in solchen Augenblicken unsicher. Die Stadtregierung um Oberbürgermeister Kurt Gribl macht zwar glaubhaft, dass sie die Sanierung will. Wenn nun aber weitere, günstigere Konzepte geprüft werden sollen, die zuvor als nicht zweckmäßig verworfen wurden, fragt man sich: Wie soll das werden?
Mit hohem Aufwand arbeitet(e) die Stadt daran, neue Straßenbahnlinien zu bauen, den Bahnhof zu untertunneln, ihren Königsplatz umzugestalten. Ja, Infrastruktur ist wichtig. Aber wenn es nicht mehr langt, denjenigen, die mit der neuen Straßenbahn in die Innenstadt kommen, jenseits aller Geschäfte etwas zum Sehen, Genießen, Nachdenken zu bieten, kommt man ins Grübeln.
Was ist los? Was stimmt nicht? Ist das Theater zu teuer geworden? Eine Kunstform, die Städte mit 270.000 Einwohnern hoffnungslos überfordert? Augsburg liegt ja nicht im armen Osten, Augsburg liegt im reichen Süden. Die Wohnungspreise fallen hier nicht, sie steigen. Aber die drittgrößte Stadt Bayerns kann ihrem Drei-Sparten-Haus kein Gebäude bauen, das auf dem heutigen Stand der Technik und in seiner Größe und Funktionalität angemessen ausgestattet ist. Wie passt das zusammen? Ist die schwäbische Großstadt im reichen Bayern so arm oder setzt sie andere Prioritäten?
Die Sanierung des Theaters ist seit 30 Jahren überfällig
Eine Generalsanierung des Theaters gab es seit dem Wiederaufbau in den 1950er Jahren nicht. Seit 30 Jahren ist sie überfällig. Keine Stadtregierung hat sich drangemacht. Als vor sechs Jahren wieder ein zaghafter Versuch unternommen worden ist und eine Summe von 100 Millionen Euro im Raum stand (von der man heute weiß, dass diese Zahl unrealistisch war), ließ man das Projekt sofort fallen. Allen Theatergängern hat sich eingeprägt, wie das mit der Komödie, der kleinen Spielstätte in der Altstadt, ging, die Jahr um Jahr mit Ausnahmegenehmigungen genutzt wurde: Plötzlich war sie geschlossen. Ohne schlüssiges Konzept, wie es mit der Generalsanierung weitergehen sollte, ist in aller Eile die Brechtbühne als Interimslösung errichtet worden. Der bisherigen Planung der Generalsanierung steht diese Brechtbühne nun aber im Weg. Ihr droht der Abriss. Das war Flickschusterei im großen Stil. Es ist zu befürchten, dass es so weitergehen könnte, wenn die Generalsanierung in der bereits präsentierten Weise nicht angepackt wird – mit Flickschusterei. Das Große Haus sanieren, die Brechtbühne stehen lassen, die Werkstätten und Probebühne auf die grüne Wiese setzen? Das wären Arbeitsbedingungen, die für jede Firma, die auf Effizienz bedacht ist, inakzeptabel wären.
Aber hat die Stadt wirklich so wenig Geld? Im Vermögenshaushalt finden sich jährlich 200 Millionen Euro. Wenn die geschätzten städtischen Kosten von 160 Millionen Euro auf zehn Jahre verteilt werden, wären das 16 Millionen Euro im Jahr. Ist das wirklich undenkbar, nachdem die Stadt sich erfolgreich 30 Jahre lang um die Generalsanierung gedrückt hat, weil anderes wichtiger war – oder schien?
Derzeit herrscht Schweigen in der Stadt, Phase drei ist eröffnet. Alles ist gesagt, nichts entschieden. Mehr als einmal in den zurückliegenden Jahrzehnten sind Theatersanierungskonzepte in Augsburg nach heftigen Diskussionen einfach still und leise verworfen worden. Dann hieß es für alle Beteiligten: Weiterwurschteln, solange es eben geht.
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