Angriff auf die Sparbücher
Wenn die mit hohem Einsatz betriebene Euro-Rettung missglückt, dann werden die Steuerzahler und Sparer der solventen Geberländer - Deutschland voran - die Zeche bezahlen müssen.
Auf fast 500 Milliarden Euro summieren sich die Hilfszusagen, die den Euro-Mitgliedern Griechenland, Spanien, Portugal und Irland gemacht worden sind. Rechnet man die Staatsanleihen-Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB) - etwa in Italien - und die Notenbank-Kredite für überschuldete Staaten hinzu, so steht mittlerweile die schwindelerregend hohe Summe von weit über einer Billion Euro im Feuer. Soviel Geld ist seit Ausbruch der Schuldenkrise bereitgestellt bzw. gedruckt worden, um den Bankrott von Staaten abzuwenden und einen Kollaps der Währungszone zu verhindern.
Wenn das Kalkül der Krisenmanager aufgeht und die gekaufte Zeit tatsächlich genutzt wird, um die Staatshaushalte in Ordnung zu bringen und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, dann ist das Geld letztenendes sinnvoll angelegt. Wenn die mit hohem Einsatz betriebene Euro-Rettung jedoch missglückt, dann werden die Steuerzahler und Sparer der solventen Geberländer - Deutschland voran - die Zeche bezahlen müssen. Dann kommt es zu einem Vermögenstransfer von Nord nach Süd und einer Vergemeinschaftung aller Schulden. Es wäre ein anderes Europa mit einer völlig veränderten Geschäftsgrundlage, die nichts mehr mit den einst gemachten Zusagen zu tun hätte und der Geldentwertung Tor und Tür öffnete.
Die eminenten Risiken sind das eine, die anhaltend guten Chancen auf einen Erfolg der Rettungsmission das andere. Noch sieht es ja so aus, als ob die Stabilisierung der Euro-Zone gelänge. Dass nun auch Zypern mit zehn Milliarden Euro aus dem ESM-Topf gerettet werden soll, tut angesichts der gigantischen Hilfssummen nicht viel zur Sache. Es ist zweifelhaft, ob die kleine Mittelmeerinsel mit der Wirtschaftskraft des Saarlands wirklich „systemrelevant“ ist. Vermutlich fielen die Schockwellen einer Pleite bei weitem nicht so stark aus, wie es die Herolde von Großgläubigern und Finanzindustrie aus eigenem Interesse suggerieren. Nur: Wer A sagt, muss auch B sagen. Die Rettungsstrategie ist längst darauf angelegt, jedes Euro-Mitglied im Notfall rauszuhauen - ob groß oder klein. Es ist die neue Art des Hilfspakets, das den überschaubaren Fall Zypern zu einer neuen Belastungsprobe für den Euro werden lässt.
Zum ersten Mal überhaupt wird über Nacht auf die Konten von Sparern zugegriffen, um marode Banken und einen zahlungsunfähigen Staat über Wasser zu halten. Es war richtig und im Sinne der europäischen Steuerzahler, einen zyprischen Beitrag einzufordern. Aber es ist töricht und ungerecht, Großanleger und Großgläubiger zu schonen und Kleinsparer zu schröpfen. Selbst wenn es noch gelingen sollte, diese Schieflage zu korrigieren: Der Vertrauensschaden, der mit diesem überfallartigen Zugriff auf Spareinlagen angerichtet wurde, ist immens und kaum noch zu beheben.
Der angebliche „Sonderfall“ könnte zum Präzedenzfall, die vielgerühmte Einlagensicherung (bis 100 000 Euro) zum Muster ohne Wert werden. Jeder Sparer - demnächst der spanische und italienische, irgendwann auch der deutsche - muss nun fürchten, dass die zyprische Methode Schule macht. Das gilt erst recht, nachdem im Verlaufe der Euro-Rettung eine Regel nach der anderen gebrochen wurde und das Vertrauen in die Politik bereits nachhaltig erschüttert ist. Die Überwindung der Euro-Krise gelingt langfristig nur, wenn wieder Vertrauen einkehrt in die Stabilität des Geldes und in die Glaubwürdigkeit der Politik.
Ein Angriff auf die Sparbücher, der zudem mit der Schonung von Bankaktionären und großen Geldinvestoren einhergeht, bewirkt das Gegenteil.
Die Diskussion ist geschlossen.