Franzosen sind die Weltmeister im Flirten
Eines haben die Franzosen den Deutschen voraus. Sie wissen, dass Frauen als Frauen anerkannt werden wollen. Es gibt ihn, den Unterschied zwischen Anbaggern und Schmeicheln.
Es ist Frühling, Flirt-Saison. Das Spiel der Verführung gehört zu einer der liebsten Übungen der Franzosen – manchmal ganz ohne Ziel. Eine junge Frau spaziert auf einem Trottoir. Sie trägt einen luftigen Rock, denn nach einem langen, hartnäckigen Winter ist der Frühling endlich angekommen. Die Sonne scheint, die Kirschbäume blühen. Als sie an einer Baustelle vorbeikommt, kreuzt ihr Blick eine Sekunde lang den eines Bauarbeiters. Und der pfeift ihr nicht einfach nur hinterher. „Ahhh, jetzt bin ich verliebt“, ruft er.
Vielleicht sieht er noch, dass sie unwillkürlich lächelt und er ihr den Morgen versüßt hat, wenn nicht sogar den ganzen Tag. Sie fühlt sich nicht plump angebaggert, sondern geschmeichelt. Eine Szene, wie sie fast überall auf der Welt spielen könnte. Und doch trägt sie sich wahrscheinlich öfter in Paris zu als anderswo – in der legendären Stadt der Liebe, die weltweit für Romantik steht. Nirgendwo verteidigen die Frauen wohl so sehr den Ruf lässiger Eleganz, während die Franzosen als Flirt-Meister gelten.
Als Frau wahrgenommen zu werden
Vom Rendezvous über den Charmeur bis zur Galanterie: Es ist kein Zufall, dass sich auch die deutsche Sprache Anleihen aus dem Französischen nimmt, wenn es ums Zwischenmenschliche geht. Denn wie fast jedes Klischee hat auch das vom Franzosen als König im Bezirzen einen wahren Kern.
„In Frankreich fühle ich mich als Frau wahrgenommen, ohne das Gefühl zu haben, mich gegen allzu aufdringliche Anmache wehren zu müssen“, sagt die Deutsche Eva, die seit vier Jahren in Paris lebt. In Frankreich sei selbst der eine oder andere Polizist zum Schäkern aufgelegt. Und schon durch das Begrüßungsküsschen auf die Wange auch bei Fremden ist schnell ein erster Körperkontakt hergestellt.
Manchen kann das auch zu nah werden und nicht jeder Mann versteht das Spiel des unaufdringlichen Schäkerns. Der Skandal um Dominique Strauss-Kahn hat eine Diskussion über Grenzüberschreitungen aufgebracht, die eben auch vorkommen. Die Rollen scheinen klar verteilt: Der erste Schritt und das Bezahlen der Rechnung sind klar Sache der Männer, während sich Frauen erobern lassen und mit ihrer Weiblichkeit spielen.
Bei ihnen herrscht eine Erwartungshaltung, die die Band „Wir sind Helden“ in ihrem Lied „Aurélie“ besingt: Es geht um eine schöne Französin, die einfach nicht merkt, wie gut sie bei den deutschen Männern ankommt, so schüchtern sind deren Signale: „Aurélie, so einfach ist das eben nicht / Hier haben andre Worte ein ganz anderes Gewicht / All die Jungs zu deinen Füßen wollen sie küssen, auch die Süßen / Aber du, du merkst das nicht, weil er dabei von Fußball spricht.“
Franzosen senden deutlichere Signale
Die Signale sind in Frankreich deutlicher. Das kann ein tiefer Blick in die Augen sein, das Aufhalten einer Türe oder ein entwaffnend direktes Kompliment: Die Franzosen sind charmant! Das ist nicht immer subtil, aber couragiert. Wenn sich ein deutscher Mann durchringt, eine Frau anzusprechen, dann mit einem klaren Ziel: ihre Telefonnummer zu ergattern, sagt Eva. Dem Franzosen geht es auch um den Spaß am Spiel der Verführung. Die panische Frage „Was will der von mir?“ muss sie sich hier nicht gleich stellen, nur weil er ihr zulächelt.
Die spielerische Leichtigkeit ist das französische Schlüsselelement, sagt auch Alain-Xavier Wurst, ein in Hamburg lebender Franzose. Zwar arbeitet er dort als politischer Journalist, hat sich aber durch sein Buch „Zur Sache, Chérie“ einen Namen gemacht. Ein Franzose verzweifelt an den deutschen Frauen. Im Land der Besucherritze, auf die kein französischer Bettenbauer kommen würde, stößt er mit seinen Verführungskünsten schnell an Grenzen, wenn eine Deutsche ihn etwa auf ein nettes Kompliment schroff anfährt: „Machst du mich etwa gerade an?“
Manches wirkt mehr, wenn es nur angedeutet ist
Diese Frage hätte auch den französischen Bauarbeiter sehr überrascht. Denn manche Dinge wirken mehr, wenn sie nur angedeutet bleiben.
Zum Nachlesen: Alain-Xavier Wurst: „Zur Sache, Chérie“. Ein Franzose verzweifelt an den deutschen Frauen. Rororo 2010. 192 Seiten. 8,99 Euro.
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